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Jazzzeitung

2005/10  ::: seite 16

rezensionen

 

Inhalt 2005/10

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / News / break
no chaser:
Der Piano Man (1)
jazzle g'macht:
Journalist! Jovialist?
jazzfrauen-abc: Miriam Klein
Farewell: Eli „Lucky“ Thompson


TITEL / DOSSIER


Titel: Durch Musik sprechen
Latin Jazz Latino: Joe Gallardo und die NDR Bigband
Dossier:Jazz nach Noten – geht das?
Eine Podiumsdiskussion während des Bayerischen Jazzweekends


BERICHTE
/ PREVIEW

Reihe Jazz First in Fürstenfeld // Dino Saluzzi in der Tonne in der Leipziger Moritzbastei // Münchner Klaviersommer 2005 // Neuburg : Swing an der Donau // Jazzbaltica Festival Salzau 2005


 JAZZ HEUTE

Basisarbeit für den Jazz
Seit 15 Jahren erfolgreich: das Jazzinstitut Darmstadt
Kann Figaro jazzen? Aber ja
Jazz im Kulturkanal des Mitteldeutschen Rundfunks
Weit verzweigtes Engagement

Deutsche Jazz Föderation e.V. schärft ihr Profil in Förderprojekten
Auswählen ist Schwerstarbeit
Der 5. Jazz & Blues Award Berlin gewinnt allmählich Konturen


 PORTRAIT / INTERVIEW


Joachim Kühn im Interview // Zum 65. Geburtstag von Steve Swallow // Der Gitarrist und Sänger Torsten Goods


 PLAY BACK / MEDIEN


CD. CD-Rezensionen 2005/10
Playback. Eine CD-Box mit Aufnahmen von Ken Vandermark begeistert
Bücher. Neuerscheinungen zu Paul Desmond und zur Mafia im Musicbusiness
Noten. Neues Notenmaterial für Saxophon, Trommler und Gitarristen
Instrumente. Audio Analyzer von Phonic


 EDUCATION

Fortbildung // Ausbildungsstätten in Deutschland (pdf)
Abgehört. Joshua Redman und sein groovendes Trio Elastic


SERVICE


Critics Choice

Service-Pack 2005/10 als pdf-Datei (Kalender, Clubadressen, Jazz in Radio & TV (270 kb))

Ein Krimi und zwar ein echter

Neuerscheinungen zu Paul Desmond und zur Mafia im Musicbusiness

Mervyn Cooke and David Horn (Ed.): The Cambridge Companion to Jazz, Cambridge University Press, United Kingdom, 403 Seiten

19 eigens für dieses Buch verfasste Aufsätze von zum Teil unseren Lesern durch Buchbesprechungen bereits bekannten Autoren; bemerkenswert die Mitwirkung von Darius Brubeck (ältester Sohn Dave Brubecks), der als Professor of Jazz Studies an der University of Natal in Südafrika tätig ist. Die behandelten Themen sind weitgespannt, aber leider wird bei der Lektüre nicht recht klar, für wen dieser Band eigentlich gedacht ist (oder sollte es für jeden etwas sein?). Zudem gibt es bei den Betrachtungen über die ersten Jahrzehnte des Jazz weder neues Material noch neue Gedanken zu bereits Bekanntem. So wird es erst ab der Mitte des Buches interessant. Darius Brubeck legt überzeugend dar, dass 1959 eines der wesentlichen Jahre der Jazzgeschichte war (die Stichworte „Kind of Blue“ und „Giant Steps“ sind nur zwei einer ganzen Reihe). Stuart Nicholson steuert eine komprimierte Zusammenfassung zum Thema „Fusions and Crossovers“ bei. David Laing untersucht die Marktsituation des Jazz; hier wäre ein zusätzliches Kapitel über Jazz und Urheberrecht sehr wichtig gewesen. Krin Gabbard schließlich behandelt die Rolle des Jazz in Verbindung mit anderen Kunstformen. Bemerkenswert eine 20-seitige Literaturliste am Ende des Buches.

Bruno Nettl with Melinda Russell (Ed.): In the course of performance/Studies in the world of musical improvisation, The University of Chicago Press, 413 Seiten

Der Jazz ist nur eine von vielen Musikarten, in denen improvisiert wird. Aber vor allem durch ihn wurde im 20. Jahrhundert das Bewusstsein für Bedeutung und Möglichkeiten der Improvisation geschärft, und er hat neue komplexe Formen entwickelt, die langsam auch die internationale Musikwissenschaft beschäftigen. Da ist es verwunderlich, dass von den 15 Aufsätzen des vorliegenden Sammelbands, verfasst von Autoren aus verschiedenen Ländern, nur drei dem Jazz gewidmet sind. Der Essay von Lawrence Gushee über Louis Armstrong gehört allerdings zu den besten. Andere Arbeiten beschäftigen sich mit javanischer, indischer, chinesischer, arabischer und lateinamerikanischer Musik, aber auch mit den Preludes von Clara Schumann, die aus Improvisationen am Klavier entstanden. Unverständlicherweise fehlt Schwarz-afrika völlig. Gerhard Kubik und Alfons M. Dauer hätten zu diesem Thema bestimmt eine Menge zu sagen gehabt. Für die Beurteilung der einzelnen Beiträge wäre es auch sehr nützlich gewesen, genauer zu wissen, über welche Erfahrungen im Improvisieren die einzelnen Autoren verfügen. Die Kurzbios am Ende des Buches geben hierüber leider fast keine Auskunft. Trotzdem ist dies eine wichtige Veröffentlichung, die bald ins Deutsche übersetzt werden sollte.

William Knoedelseder: Stiffed. A true story of MCA, the music business and the mafia, HarperPerennial, New York, 480 Seiten

Ein Buch, in dem von Musik überhaupt nicht und von Musikern nur selten die Rede ist. Und doch geht es um sie, besser gesagt, um Geschäfte mit ihrer Kunst, wobei im Mittelpunkt die Plattenfirma MCA in den 80er-Jahren steht, damals die kleinste der „Big Six“ hinter CBS, Warner Communications, RCA, Capitol-EMI und Polygram. Der Anfang sieht aus wie das Personenverzeichnis eines Kriminalromans. Da werden aufgelistet „The Music Men“ (im wesentlichen Führungspersonal von MCA), „The Middle Men“ (Händler und Werbeleute), „The Mobsters“ (Mafiosi) und „The G-Men“ (Ermittlungsbeamte). Und wie ein Krimi liest sich das Ganze, spannend und flüssig erzählt, obendrein überaus sachlich, was die Glaubwürdigkeit sehr erhöht. Die Handlung ist vielschichtig. Da gab es beispielsweise Schiebereien mit „cutouts“ (nicht verkaufte Platten, wobei sehr große Mengen und entsprechend auch sehr viel Geld im Spiel war). Da wurden Platten illegal vervielfältigt und vertrieben („counterfeits“). Da wurde Rundfunkmitarbeitern Geld (oder anderes) gegeben, um bestimmte Musikstücke immer wieder zu senden und bestimmte andere nicht, und ebenso auch Ladenbesitzern, um überhöhte Verkaufszahlen weiterzumelden, was die Hitlisten zugunsten bestimmter Titel beeinflussen sollte („payola“). Und im Gefolge all dieser Aktionen wurden massenhaft Steuern hinterzogen. Es ist lustig, zu lesen, wie dabei Betrüger andere Betrüger hereinlegten; weniger lustig ist freilich, dass immer wieder Künstler um ihnen zustehende Tantiemen betrogen wurden. Und schließlich wurden auch noch die Ermittlungen oftmals behindert… Wie gesagt: ein Krimi. Und zwar ein echter.

Doug Ramsey: Take Five. The public and private lives of Paul Desmond, Parkside Publications Seattle, 371 Seiten mit zahlreichen Abbildungen und sechs Solo-Transkriptionen

Paul Desmond war einer der großen Melodiker des Jazz und blieb dies auch (wie etwa Gerry Mulligan, Stan Getz und Lee Konitz) in einer Zeit, in der von Jazzmusikern ganz anderes erwartet wurde. Er war witzig bis zum Sarkasmus (darin Dick Wellstood sehr ähnlich) und zugleich scheu, fantasievoll, manchen ein Rätsel, eine komplexe Persönlichkeit, hochsensibel, oft einsam, sein Altsaxophonspiel aber klang immer klar, logisch, einprägsam. Er mochte Charlie Parker, aber er brauchte ihn nicht als Vorbild (wie Lee Konitz). Als seine Ideale nannte er einmal „beauty, simplicity, originality, discrimination and sincerety“ (S. 108). Er liebte Filme und Wortspiele (eine Vorstufe zu seiner ausgeprägten Vorliebe für Zitate in seinen Improvisationen?) und schrieb gerne Briefe, von denen dieses Buch eine ganze Reihe enthält, und Denkschriften für sich selbst (ungewöhnlich im Jazz). Er plante auch ein Buch mit dem wunderbaren Titel „How many of you are there in the quartet?…“, das aber leider nie zustande kam. Er wurde als Paul Emil Breitenfeld am 25. November 1924 in San Francisco geboren. Sein Vater war Organist, Arrangeur und Komponist, dessen Vater Arzt (kam Ende des 19. Jahrhunderts aus Deutschland oder Österreich nach New York). Seinen Namen änderte er später in Desmond; ein eindeutiger Grund hierfür ist nicht mehr zu ermitteln. Mit 16 Jahren (1940) wurde er Profi. Bereits während seiner Militärzeit lernte er 1944 Dave Brubeck kennen. Von 1951 bis 1967 spielten sie im Dave Brubeck Quartet zusammen. Erfolge stellten sich schon bald ein, aber erst sein Thema ,,Take Five“ im 5/4-Takt (1959) machten ihn und die Gruppe weltbekannt. Danach wurden Jim Hall und der kanadische Gitarrist Ed Bickert für ihn neue Partner. Er starb mit 52 Jahren an Krebs (Raucher!) am 30. Mai 1977. Seinen Flügel bekam Bradley Cunningham für seinen Club „Bradle’s“ in New York, sein Altsaxophon Michael Brubeck. Einen Teil seines Geldes einschließlich späterer Tantiemen vermachte er dem Roten Kreuz.
Der Autor, der Paul Desmond gut kannte, erzählt das Leben dieses großen Einzelgängers des Jazz anschaulich, detailliert und einfühlsam. Dazu viele Fotos, auf Kunstdruckpapier hervorragend reproduziert.

Joe Viera

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