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Bobo Stenson verkörpert im Jazz den Prototyp einer Bewegung, die Theo Jörgensmann inhaltlich einmal als eine musikalische Welt der Übergänge und Zusammenhänge beschrieb. Gemeint ist damit der Weg des Jazz von der reinen Stilistik hin zu einer ganzheitlichen Musikauffassung, mit all ihren ethnographischen und individuellen Besonderheiten. Auf deren Basis ist in Europa in den letzten Jahrzehnten eine neue Tonsprache im Jazz, mit völlig eigenständigen Kodierungen entstanden. Diese „aus innerer Sicherheit gewonnene Qualität“ (Theo Jörgensmann), gilt es öffentlich zu präsentieren, um den Prozess der europäischen Emanzipation im Jazz weiter voranzubringen. Die Veranstaltungsreihe „Jazz First“ in Fürstenfeld vor den Toren der bayrischen Landesmetropole arbeitet seit 2003 und mit wachsendem Erfolg an genau einem solchen Konzept.
Nachdem in den vergangenen Jahren unter anderem Joachim Kühn, Gianluigi Trovesi, Enrico Pieranunzi, Jiri Stivin, das Moutin Reunion Quartet oder Leonid Chizhik zu Gast waren, eröffnete am 27. Juli das Bobo Stenson Trio aus Schweden die sechsten Saison. Kurz vor Beginn des Konzertes wurde bekannt, daß Albert Mangelsdorff, vielleicht der musikalisch bedeutendste Vertreter eben jenes europäischen Prinzips in der Musik, verstorben war. Stenson widmete seinen Auftritt dem Posaunisten und verzauberte anschließend mit der atemberaubenden Intimität seines Spiels und in kaum zu steigernder gruppendynamischer Intensität des Trios das Publikum vollkommen. Stenson ließ dem Strom seiner Ideen freien Lauf, löste sich von allen Zwängen und Konventionen und erforschte musikalisch ein Klangspektrum, das sich aus europäischer Klassik, skandinavischer Folklore, den Lyrizismen Bill Evans und einem selbstbewußten eigenen Anschlag zusammensetzt. Mit Anders Jormin am Bass und dem jungen Schlagzeuger Jon Fält besaß er sichere Begleiter und großartige Solisten zugleich. Besonders Fält ist ein absoluter Gewinn für den Pianisten. Er schlägt wuchtig zwischen die Zeiten, malt mit den Besen farbige Klangflächen, explodiert förmlich am Instrument und spielt im nächsten Augenblick wieder unglaublich diszipliniert. Solch ein Spiel schafft Reibung, treibt die Musik bis an ihre fassbaren Grenzen und manchmal tatsächlich auch ein wenig darüber hinaus. Dieses Konzert, das vom Kultursender arte für eine Dokumentation mitgeschnitten wurde, zeigte deutlich, wie gut es um das musikalische Feld nach dem Ableben Albert Mangelsdorff bestellt ist. Mit Stenson, Jormin und Fält standen in Fürstenfeld schon die nächsten Generationen auf der Bühne, die mit Zuversicht und Hoffnung in die Zukunft blicken lassen. Vorausgesetzt natürlich es gibt eben jene Veranstalter, die ein Wagnis auf sich nehmen und diese Art der Kultur einem Publikum zu präsentieren, auch bereit sind. In Fürstenfeld teilen sich zwei Veranstalter diese Arbeit fast problemlos. Da ist auf der einen Seite die Produktions- und Konzertagentur Loft Music, die sich ausschließlich um die Zusammenstellung des jeweiligen Programms und die Honorare der Künstler kümmert. „Bei den Kriterien der Auswahl setze ich auf europäische Musik“, sagt Loft-Chef Manfred Frei. „Wir haben lange Jahre den europäischen Jazz in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, wussten kaum was in Frankreich, Italien, Spanien oder Skandinavien wirklich los war. Die öffentliche Hand fällt hier leider mehr und mehr aus. Dabei ist der Jazz eine entscheidende Musik auch zur Entwicklung des Denkens, des miteinander Redens und des internationalen Austauschs. Eine Musik, die für das demokratische Gemeinwesen geradezu erschaffen scheint.“ In Norbert Leinweber vom Veranstaltungsforum Fürstenfeld hat Loft einen idealen und eben doch öffentlichen Partner gefunden. Fürstenfeld stellt die Räumlichkeiten, das Licht und den Sound zur Verfügung und übernimmt die vollen Kosten für die Werbung. „Wir wollten nicht nur Operette, Bauerntheater oder eine bunte Revue im Programm. Es sollte auch Jazz geben, möglichst in einer Konzertreihe, die qualitativ hoch angebunden ist und wo die Karten hier draußen zu erschwinglichen Preisen erhältlich sind“, erläutert Leinweber seine Motivation für dieses Projekt. Beiden ist es in diesen für die Kultur so schwierigen Zeiten gelungen, ihre Vorstellungen und Wünsche umzusetzen. Und das Publikum wächst von Saison zu Saison. Mittlerweile gibt es ein Abonnement für fünf Konzerte zum Preis von 50 Euro. Damit spart der Abonnent knapp 40 Prozent gegenüber dem Einzelticket und die Veranstalter können aufgrund dieser berechenbaren Einnahmen vorausschauend kalkulieren. So werden in diesem Jahr noch die finnische Sängerin Tuomi (6. Oktober), Greetje Bijma aus den Niederlanden (26. November) und das polnische Trio Strzelczyk/Sarnecki/Rodowicz (14. Dezember) in Fürstenfeld auftreten. (Nähere Informationen unter www.fuersten feld.de oder Tel. 08141/66 65-120) Jörg Konrad |
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