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Als Tina und ich in dem kleinen Café im belgischen Viertel in Köln saßen, und gerade eine halbe Million junge Christen die Stadt bevölkerten, klingelte mein Mobiltelefon. Mir persönlich ist das in der Öffentlichkeit immer ein wenig unangenehm, also versank ich kurz in mir selbst, hob ab und versuchte das Telefonat mit gedämpfter Stimme möglichst schnell zu einem Punkt zu bringen, an dem man sich verabschieden und das Gespräch wieder beenden konnte. „Da war er aber wieder mal jovial, der Herr Klug“, presste Tina aus ihrem grinsenden Gesicht in meines, als ich gerade aufgelegt hatte und dabei war, meinen Kopf wieder zwischen Schultern hervorzustülpen. „Wie bitte?“, fragte ich sie, ich fühlte mich leicht angegriffen. „Du hast manchmal am Telefon denselben jovialen Ton drauf, den du in deinen Kolumnen immer raushängen lässt“, antwortete sie mir, offenbar fest entschlossen, mich in meinem sensiblen Selbstverständnis als Wortkünstler vollkommen zu verunsichern. „Was meinst du jetzt mit ,jovial’?“ wollte ich von ihr wissen. „Naja, das was es eben heißt, so schulterklopfend. So überheblich-verständnisvoll.“ Ich war irritiert. „Und so klinge ich auch in meinen Kolumnen?“ Ihre Antwort war kurz. „Ja!“ Was war denn da los? Wollte sie mich nur böswillig beleidigen oder
hatte sie vielleicht sogar Recht? Bin ich ein – vielleicht sogar
grundlos – überhebliches Stück Journalist? Jovialist statt
Journalist? Den letzten Rest meines Journalistenstolzes verteidigend war ich nun auf der Suche nach einer geeigneten Entschuldigung für meine vermeintliche Hochnäsigkeit. Gesetzt den Fall also, dass Tina mit ihrer Einschätzung meines Schreibstils richtig liegt, liegt das Ganze vielleicht weniger an meiner Haltung als an dem Sachthema, das ich hier behandle: am Jazz? Wohlwollend ist der Jazz in jedem Fall, denn er will – sieht man mal von seiner leidigen Selbstverliebtheit ab – nichts weiter als die Kunstform des Musizierens weiterbringen. Wohlwollend an sich klingt ja auch schön. Das Problem steckt in dem Wort betont. Das klingt nämlich eher nach unberechtigter Arroganz. Die Hand des Mentors streicht über den Mittelscheitel des Schützlings, und dazu spricht der Mentor: „Wenn du dich anstrengst, wirst du vielleicht irgendwann einmal ansatzweise so viel wie ich auf dem Kasten haben!“ Ist der Jazz, besser: Sind wir Jazzer wirklich so? So jovial? Arrogant
sind wir in jedem Fall, geht man zumindest nach den gängigen Klischees.
Aber ist diese Arroganz unberechtigt? Sind wir nicht die wahren Bewahrer
und Entwickler der Musik? Vorhin gerade war ich kurz mit einigen Freunden ein Eis essen, u.a. mit Tina. Als ich mich verabschiedeten wollte, mit der Begründung, ich müsse noch eine Seminararbeit und diese Kolumne fertig schreiben, schien Tina zu wissen, um was es sich diesmal drehen würde. „Das ist doch schnell gemacht, ein paar joviale Floskeln, und die Sache hat sich!“ Ich habe mal nichts entgegnet. Sie nicht damit aufgezogen, dass sie Karten für das baldige Konzert der Backstreet Boys hat. Ich habe so etwas nicht nötig. Dazu bin ich zu wenig Jovialist. Eher Journalist. Mit jovialen Anwandlungen. Sebastian Klug |
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