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Als Lucie Silvas die gemütliche, auf Piano und Mikrofon reduzierte Bühne im „Night Club“ des Bayrischen Hofs in München betritt, wirkt sie angespannt und hätte das „Schaulaufen“ sicher gerne schon hinter sich gebracht. Zusammen mit ihrem Gitarristen stellt sie fünf Nummern ihres am 4. April 2005 erscheinenden Albums „Breath In“ den Medien und geladenen Gästen im akustischen Gewand vor. Das Genre der Engländerin ist klar umrissen: Songwriter-Pop, der sich mit dezenten Wischern im Jazz bedient, Zitate aus Soul & Gospel streut, aber auch einsame Momente, die an Tori Amos erinnern, aufweist.
In England kam Lucie Silvas bisher fantastisch an; Burt Bacharach, Chris Martin (Coldplay) oder Lionel Richie zählen zu ihren Fans. Scheint aber kein großes Kunststück zu sein, mit diesen Leumündern Erfolg zu haben, oder? „Mitnichten“, antwortet Lucie Silvas nach vollbrachtem „Showcase“ entspannt und schneidend. „Ich sollte das klarstellen, denn ich kenne Chris Martin nicht. Er hat meine Stimme gehört, fand sie gut und das wars. So gesehen empfinde ich es zwar als Kompliment, dass diese Musiker meine Stimme mögen, aber geholfen hat mir das kaum.“ Dafür ist Lucie Silvas zu ehrgeizig. Auch weil sie bereits die negativen Seiten der Branche kennen lernte. Als Backgroundsängerin unterstützte sie einst Gary Barlow (ex- Take That), dessen Manager vermittelte sie an ein Label, welches ihr den ersten Plattenvertrag bescherte und eine Tour mit Macy Gray ermöglichte. „Es lief alles prima“, grinst sie nahezu ironisch, „ich hatte einen Deal mit 17 Jahren, sang im Background von Gary Barlow und konnte Songs für mich und andere schreiben. Dann ging es los mit den Umstrukturierungen der Plattenfirmen und plötzlich war alles weg: Der Deal, die Touren, die Jobs. Aber irgendwie war ich froh darüber, denn ich mag es nicht, wenn einem alles zufliegt. Ab diesem Zeitpunkt begann ich zehn Mal härter als vorher zu arbeiten.“ Lucie Silvas umschreibt das sehr optimistisch; in Wahrheit vollführte sie eine Art „Türklinken-Putzen“. „Absolut richtig,“ stimmt sie zu, „ich setzte alles daran, mich bei den Leuten in Erinnerung zu rufen, denn wenn man einmal vom Label ,abserviert’ wurde, läuft man Gefahr mit diesem Stigmata identifiziert zu werden. Mir war wichtig, dass die Leute in der Musikszene wissen, dass ich nicht aufgebe.“ Akribische Arbeit, die sich gelohnt hat, denn mit „Breath In“ ist ihr ein Album gelungen, das von diesen Erfahrungen lebt, Authentizität vermittelt und nichts mit Radiosoße oder Girlietum gemein hat. Die Arbeit mit den Songs hebt Lucie Silvas besonders hervor. „Viele Songs entstanden mit meiner Freundin Judie Tzuke, zudem wollte ich das Album nach dem ,old school’- Muster aufnehmen, also nur mit einem Produzenten, der sich mit allen Songs beschäftigt, nicht mehrere oder den gerade angesagtesten Produzenten. Es ging mir nur um die Energie der Songs, nicht um einen Trend.“ Dass sie vor allem produktionstechnisch ihren Kopf durchgesetzt hat, merkt man dem Album an, selbst wenn die gewöhnungsbedürftige Coverversion von Metallicas „Nothing else matters“ entbehrlich scheint. „Mag sein“, erwidert sie keinesfalls beleidigt, „aber ich mache nur was ich liebe und mir in den Sinn kommt. Alle musikalischen Einflüsse strömen in meine Songs und ehrlich gesagt mache ich mir darüber keine allzu großen weiteren Gedanken.“ Irgendwie ist Lucie Silvas auf eine eigenwillige Art unglaublich bemerkenswert, allein die Geschwindigkeit und Nachdrücklichkeit ihrer Worte vermittelt Esprit, den sie unverfälscht transportieren möchte. Dazu vermag sie intensive Songs zu schreiben (und das nicht nur für sich), bleibt auf dem Boden, aber nicht stehen, denn sie weiß, dass sie weder Joss Stone noch Norah Jones oder deren Kopien ist. Sich selbst zu behaupten lautet ihre Herausforderung. „Man muss lernen, auf einem Auge blind zu sein, wenn man sich im Musikbusiness bewegt. Nur so kann man sich diese kindlichen Vorstellungen der Musikerkarriere bewahren. Wenn ich sehe wie Lionel Richie nach 25 Jahren seine Songs präsentiert als wäre es das erste Mal, dann finde ich das inspirierend. Genau so möchte ich sein. 30 Jahre touren, Songs schreiben und alles genießen. Nur manchmal ist für diese Idylle wenig Platz, wenn die gnadenlose Realität des Business mit ihren Fakten und Zahlen über uns Künstler hereinbricht.“ Sven Ferchow |
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