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Situationsbeschreibung: Die schlechten Nachrichten greifen um sich, Clubs schließen, Schallplattenläden ebenfalls und immer wieder Schallplattenvertriebe, mit der Folge dass bestimmte Labels, meist aus dem Ausland, den Markt gar nicht mehr erreichen. Je größer die Qualität der Veranstaltungen, desto eher besteht das Risiko, dass außer ein paar Eingeweihten niemand kommt. Sponsoren machen einen Bogen um alles, was sich Jazz nennt oder bei dem der Verdacht besteht, dass es damit zu tun hat. Große Events, das heißt so genannte Ein-Mal-Veranstaltungen, bei denen es um die Sensation geht, den neuesten Gesangsstar oder die Grammy nominierte Band dagegen finden das Wohlwollen der Sponsoren. Konkrete Untersuchungen zur aktuellen Situation, die all diese Phänomene aufarbeiten, gibt es so gut wie nicht. Auch nicht den Versuch, zum Beispiel durch das im Marketing gängige Mittel der Besucherbefragungen heraus zu bekommen, warum das Publikum nicht oder nicht mehr kommt, was man tun kann, um die eigene Attraktivität zu steigern. Die legendäre Untersuchung zum Jazzpublikum aus goldenen Soziologie-Zeiten (Dollase/Rüsenberg/Stollenwerk – Das Jazzpublikum, Schott-Verlag 1978) ist lange her, über eine ganze Jazzgeneration. Und irgendwie hat man den Eindruck, sich im Kreise zu drehen. Die wenigen Mittel reichen kaum, um ein Konzertprogramm auf recht zu erhalten, große Marketing Investitionen sind da nicht drin. Das hat zur Folge, dass viele Angebote ein potentielles Publikum gar nicht erreichen, weil dieses im „Tal der Ahnungslosen“ lebt. Die großen Festivals, das heißt die Orte, die auch ein neuer Besucher ein mal besuchen wird, vermitteln keine Einsicht in neue Entwicklungen, die die Auseinandersetzung mit Musik über den kurzfristigen Unterhaltungswert hinaus interessant machen. Ein erster Schritt auf eine brauchbare Analyse hin wurde kürzlich
in NRW getan. Unter der Regie von Reiner Michalke, Geschäftsführer
des Kölner Stadtgarten, und in all den angesprochenen Fragen mehr
als nur erfahren, hat ein Autorenteam die Situation der wichtigsten Spielorte
der Aktuellen Musik in NRW einmal unter die Lupe genommen. Das Ergebnis,
veröffentlicht in 2004 („Musik life – Die Spielstätten
für Jazz und Aktuelle Musik in Nordrhein-Westfalen“, herausgegeben
von Reiner Michalke, Klartext Verlag, Essen, 2004), ist ernüchternd.
Es beginnt damit, dass so genannte Aktuelle Musik in Deutschland keinen
angemessenen gesellschaftspolitischen Stellenwert hat. In der Scala der
öffentlichen wie privaten Unterstützung rangieren die Spielorte
in den absolut hinteren Regionen. Auch die öffentlich-rechtlichen
Rahmenbedingungen sind alles andere als rosig. Die Tatsache, dass die
meisten Veranstalter gemeinnützige Vereine sind, wird nur unzureichend
im gesellschaftlichen Gesamtsystem berücksichtigt. Die Besuchersituation
ist zumindest schwer vorhersehbar, oft auch dramatischen Veränderungen
unterworfen. Ein vergleichender Blick in die europäischen Nachbarstaaten
zeigt, dass einige Nachbarstaaten vormachen, wie es gehen kann, zum Beispiel
die Niederlande oder Dänemark. Aus vielen Kontakten weiß man
zusätzlich, dass die Tourneen großer internationaler Musiker
aus dem Bereich der Avantgarde Spielorte in der Schweiz, in Österreich,
Italien und Frankreich finden, aber kaum noch in Deutschland. Noch einen Schritt weiter gehen sie, indem sie neue Konzertreihen auflegen,
in denen der bisherige Konzertbetrieb zumindest zum Teil gebündelt
wird, auch in der Lage ist, sich dem so genannten Eventcharakter mit allen
oben kurz gestreiften Folgen zu nähern. Diese Reihen sind einerseits
von den musikalischen Inhalten interessant und erfüllen zudem noch
gesamtpolitische Interessen. Unter dem Titel „Off New York“ startete man einen nächsten Schritt, Aktuelles aus der Metropole des Jazz zu holen. Gerade dies war in früheren Jahren ein Schwerpunkt des eigenen Spielbetriebs, den die dargestellte schwierige ökonomische Entwicklung, vor allem die zunehmende große Belastung durch die Ausländereinkommenssteuer seit der zweiten Hälfte der 90er-Jahre deutlich reduziert hat. So war zum Beispiel John Hollenbeck mit seinem „Claudia Quintett“ zu erleben. Der Stadtgarten in Köln nutzte seine Kontakte nach Amsterdam und etablierte eine eigene Reihe „Forget about the tulips“, in der nicht nur die Großen der Amsterdamer Szene wie Misha Mengelberg, Han Bennink oder Wolter Wierbos auftraten, sondern auch hier eine Begegnung mit Kölner Musikern stattfand. Musikalisch waren all diese neuen Schritte sehr reizvoll und sicher geeignet, auch ein neues Publikum anzusprechen. Auch ist die gewählte Form der festivalähnlichen Konzertreihe ein Schritt in die richtige Richtung. Erwarten darf man allerdings nicht, dass bisherige Zuschauerzahleinbrüche gleich beim ersten Mal wieder aufgearbeitet werden. Positiv ist dabei, dass es eine gemeinsame Öffentlichkeits- und Pressearbeit gibt, zusätzliche Werbemaßnahmen wie Anzeigen in Zeitungen, Plakatierungen dagegen bisher nicht. Die neue Arbeitsgemeinschaft konnte sich zwar über deutlich mehr finanzielle Unterstützung durch öffentliche Träger, auch das Land NRW freuen, was aber den Werbeetat noch nicht auf das richtige Maß bringen konnte. Hilfreich ist vor allem auch die Zusammenarbeit mit dem WDR, dessen Jazz-Redaktion die Reihen begleitet, aufzeichnet und sendet. Erste Schritte in die richtige Richtung sind getan, aber sicherlich noch nicht genug. Realistisch muss man sehen, dass die Platzierung von kulturellen Angeboten in einer trotz Wirtschaftsflaute überreichen Kulturlandschaft und dem Dickicht der Medienlandschaft alles andere als leicht ist. Dennoch sollte man in die eingeschlagene Richtung weitergehen und auch das Instrument der Besucherbefragung oder besser Nicht-Besucher-Befragung in Angriff nehmen. Sozialwissenschaftliche Lehrstühle an den NRW Hochschulen könnten dabei im öffentlichen Interesse einen wichtigen Beitrag leisten. Hans-Jürgen von Osterhausen
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