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Mein Freund Stefano tobt mal wieder: Ein Interview mit John Medeski, dem Vertragsorgler bei Blue Note, hat ihn so auf die Palme gebracht. Einem deutschen Reporter soll Medeski gesagt haben: „Es ist großartig, dass die Plattenfirmen leiden. Fantastisch. Das Schlechte daran ist, dass auch die Musiker leiden. Man kann einfach kein großer Musiker sein und nebenbei als Kellner und in zwei weiteren Jobs arbeiten.“ Stefano mit seinem kleinen Indie-Label hat sonst wenig Sympathie für die Majors, aber jetzt platzt es aus ihm heraus: „Dieser Idiot! Wo wäre denn La Musica ohne die Plattenfirmen! Sie hat doch sonst keine Lobby! Oder hast du je vom Nobelpreis für Musik gehört? Was? Nein? Ich sage dir warum: Es gibt gar keinen!“ So ein Ausbruch kann bei Stefano mehrere Minuten dauern, ich übe mich also in Geduld. Seit Jahrzehnten, kreischt er gerade, fänden Menschen über ihre musikalische Sozialisation zueinander, Punk oder Genesis, Miles oder Callas… Hinter Trends und Hits stecke nun mal wirtschaftliche Macht, die Branche, Promotion. „Wenn die Plattenfirmen tot sind, ist Musik nur noch eine zufällige, lokale Vorliebe. So wie deine Lieblings-Taverne oder dein Friseur. Ohne allgemeinen Verständigungswert. Du definierst dich durch deine Automarke, deine Socken, dein Handy... aber dass du Musik hörst, das ist dann so interessant wie Briefmarkensammeln oder Fensterschmuckbasteln. Völlig wurscht.“ Kurzes Luftholen, dann setzt er zur Coda an: „Weißt du, ich war auf der Buchmesse letztes Jahr. Da sind die Musikverlage den Kinderbuchverlagen zugeordnet. Das wird die Zukunft: Musik, ein großes Vorschul-Erlebnis. Wenn du eine Frau kennen lernst, sagst du: Hast du Brummteddys Liederreise gehört oder Bong-Bong-Bong, unser Song? Die Kaninchenzüchter haben eine bessere Lobby als die Musik!“ An dieser Stelle muss Stefano dringend Schluss machen und legt auf. Rainer Wein |
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