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Bereits Ende der 50er-Jahre gab es in Wien frei improvisierte Muasik, wie sie anderswo erst später praktiziert wurde. Jetzt hat erstmals Andreas Felber diese Avantgarde publizistisch aufgearbeitet. In seinem umfangreichen Werk, das aus seiner Dissertation hervorging, schildert er detailreich diese „Revolution im Hinterzimmer“. Felber fragt, was es mit der Wiener Schule frei improvisierter Musik auf sich hat und gibt unzählige Antworten. Mitunter mühsam muss sich der Leser allerdings im Dickicht von Zitaten, Zeitungskritiken, Statements und Erklärungen zurechtfinden. Gnadenlos geht der Autor den Dingen auf den Grund. Nichts lässt er stehen, alles wird hinterfragt. Er scheut keinerlei Mühe, er will es wirklich wissen. Einleitend entwirft Felber, wie er es nennt, ein „doppeltes historisches Raster“, vor dessen Hintergrund die Geschichte der Wiener Jazz-Avantgarde abgehandelt wird. Die Anfänge des europäischen Free Jazz werden skizziert: „Die Befreiung vom herkömmlichen Normenkanon ging einher mit der Befreiung von amerikanischer Vormundschaft“. Nachdem verschiedene Aspekte europäischer Identität dargestellt worden sind, wird die österreichische Jazz-Entwicklung „Zwischen Konservatismus und Progressivität“ von 1945 bis 1977 knapp nachgezeichnet. Bunt und vielfältig präsentierte sich die Szene, von der ersten internationalen Reputation durch die Austrian Allstars 1952 (mit Karl Drewo und Joe Zawinul) über den allgegenwärtigen Cool Jazz („der bestimmende Einflussfaktor“) bis zu den renommierten Exilanten, darunter Hans Koller und Roland Kovac, der „zum meistbeschäftigten Arrangeur Deutschlands“ wurde. Die Wiener Avantgarde, deren Entwicklung an zwei herausragenden Ensembles beispielhaft vollzogen wird, hatte also eine gute, wenn auch konservative Grundlage. Den „Masters of Unorthodoxe Jazz“, wie sich das eine Ensemble bescheiden nannte, nähert sich Felber über die Lebensläufe ihrer Protagonisten. In der 1959 gegründeten „Galerie Roter Apfel“ trafen sie sich, die Kunststudenten Walter Malli, Richard Pechoc, Toni Michlmayr, Claus Barabbas und andere, um gemeinsam zu musizieren. Ein erstes Free-Jazz-Konzert fand 1961 in Graz statt, doch Aufmerksamkeit erregten die Masters erst 1966 bei ihrem ersten öffentlichen Konzert in Wien. In den Siebzigerjahren stießen die Masters auf „viel Interesse in den unterschiedlichsten Kreisen“. Doch es ging auf und ab, wie vom Autor minuziös geschildert, ehe am 28. November 1975 ihr letztes Konzert gegeben wurde: „die Gruppe lief einfach aus“, heißt es lakonisch. Die personelle Verzahnung der Masters mit der „Reform Art Unit“ (RAU), der zweiten wichtigen Wiener Formation, ist ein Beleg für den engen Zirkel der Avantgarde. Das mit diesen beiden Ensembles konnotierte Bild der Wiener Avantgarde ist bis heute geprägt, wie Felber beweist, vom Klischee skurriler Provokateure, der der Scharlatenerie verdächtigten Dilletanten und der verkannten, isolierten Avantgardisten. Bei aller Kritik zwischen Distanz und Nähe ist Andreas Felber eine spannende und grundlegende Darstellung eines Kapitels österreichischer Jazzgeschichte gelungen. Sie taugt auch als Nachschlagewerk dank ausführlicher Biblio- und Diskografie sowie eines Registers. Reiner Kobe
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