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Es war zwar nur der kleine Sendesaal im Funkhaus des WDR am Kölner Wallraffplatz, aber für Nicolas Simion war es doch Anerkennung, Genugtuung – und ein Heidenspaß zugleich, als er – im letzten Herbst – als Stargast der WDR Big Band einen fulminanten, viel umjubelten Konzertaufritt erleben konnte. Bill Dobbins, von 1994 bis 2002 Chef des renommierten Orchesters, war extra aus den Staaten angereist, um die Ideen und Kompositionen Simions in mitreißende Big-Band-Arrangements umzusetzen.
Seit 1997 lebt der rumänische Multiinstrumentalist, Komponist, Arrangeur und Bandleader Nicolas Simion (45) nun in Köln, ist auch vielen Fans in der Szene bekannt, nicht nur im Rheinland, auch in Österreich, wo er nach seiner Flucht aus seinem Heimatland 1988 lebte und musizierte, in Bulgarien, Griechenland und Rumänien ohnehin, aber auch in Japan, wo er mehrfach gastierte, einmal im Duo mit der Pianistin Yoko Gulda (Ex-Frau von Friedrich Gulda). Doch trotz Gastspielen etwa in München und Berlin, trotz hochinteressanter CDs mit Stars wie Mal Waldron, Lee Konitz, Tomasz Stanko, Dusko Gojkovic, Gunther Schuller, scheint ihm der wirkliche Durchbruch in Deutschland noch nicht gelungen zu sein. Simions Hauptinstrument ist das Tenorsaxophon, das er mit einem vollen warmen Ton spielt, aber auch in extreme Höhen schrauben kann, wenn ihn gewissermaßen der Free Jazz-Furor packt, was nicht selten geschieht („Coltrane und Rollins haben mich am meisten geprägt, aber ich höre jetzt auch mehr und mehr Lester Young, weil der mit einfachen Mitteln genau soviel sagt...“). Fast gleichwertig zum Tenor gehört seine Liebe dem Sopran und der Bassklarinette. Dass er die typischen Holzblasinstrumente der balkanischen Volksmusik wie Tarogato, Tilinka, Kaval und die B-Klarinette beherrscht, versteht sich aufgrund seiner Herkunft fast von selbst. „Balkan Jazz“ lautet der schlichte, doch programmatische Titel einer seiner besten CDs, andere Aufnahmen nannte er „Transsylvanian Dance“ und „Black Sea“, und zweifellos leistet Simion auf dem Gebiet der Verschmelzung von Melodien aus dem reichen Schatz der Volksmusik Südosteuropas mit dem Jazz Großartiges, fast schon Geniales, denn er versetzt die Folklore nicht nur mit Jazz-Elementen, wie es auf dem Balkan selbst zur Mode geworden ist, vielmehr versucht er „eine Synthese zu erzeugen zwischen den drei großen Richtungen: Volksmusik, Jazz und Musik des 20. Jahrhunderts“, so Simion im Gespräch. Mit Folklore und Jazz auch Elemente klassischer oder Neuer Musik zu verbinden, das sei ihm am besten auf der Trio-CD „Back to the Roots“ mit zwei amerikanischen Kollegen gelungen (Peter Perfido dr und Glen Fisher b). Ins Schwärmen gerät Nicolas Simion, wenn er von seiner Zusammenarbeit mit Mal Waldron erzählt, von ihren Konzerten und vor allem vom Auftritt im Kölner „Loft“ (1998), festgehalten auf der wunderbaren CD „Art of the Duo – The Big Rochade“. Mit Mal habe er versucht, „an die Grenze zu kommen, zu dieser neuen improvisierten Musik, da gibt es ein paar Stücke...“ – seine Worte bleiben in der Luft hängen, wie manche der Klänge, die den beiden damals gelangen, luzid, fast abgeklärt. Ein verpflichtendes Erbe für den in Brasov/Kronstadt und Bukarest klassisch ausgebildeten Nicolas Simion stellen die Werke Belá Bartóks und George Enescus dar, die beide aus den Quellen der Volksmusik ihrer und anderer Völker geschöpft haben, wodurch sich für ihn ein magischer Kreis schließt. Das kommt nicht nur in Jazz-Titeln wie „Hommage a Belá Bartók“ oder „Bartok Goes To New Orleans“ zum Ausdruck, sondern auch in seinen notierten Kompositionen wie der Ballettmusik „The Unfinished Square“, für die er 1996 den Theodor-Körner-Förderpreis erhielt, oder die Auftragskomposition „Canzoniere Sacrale“ für Orchester und Jazz Combo, mit der im März 1999 die renovierte Ruprechtskirche, die älteste Kirche Wiens, wieder eröffnet wurde. Aber vor allem, so Nicolas Simion, sei er eben doch ein Jazzer. Und, fügt er lächelnd und ein wenig selbstironisch hinzu, was den Durchbruch anbelange – auch ein Joe Henderson, ein Mal Waldron, ein Lee Konitz hätten lange warten müssen, ehe sie wirkliche Anerkennung gefunden haben… Dietrich Schlegel CD-Tipps
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