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Jazzzeitung

2005/03  ::: seite 14

portrait

 

Inhalt 2005/03

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / News / break
no chaser:
An den jungen Kollegen (E-Mail 3)
jäzzle g’macht: Wenn sich Musiker zuhören
jazzfrauen-abc: Eliane Elias
farewell: Abschied von Artie Shaw, dem letzten Giganten der Swing-Ära / Die Jazzzeitung verabschiedet sich von ...


TITEL / DOSSIER


Titel: Keine Soundlöcher bei Soulbop
Bill Evans und Randy Brecker spielen wieder zusammen
Dossier. Jazz in Polen
Die Neuen Spielmacher
Jungstars aus Polen: Adam Pieronczyk und Leszek Mozdzer
Jazzfestivals in Polen 2005
Jazzclubs in Polen (Auswahl)


BERICHTE


Jazz hilft: eine Spendenaktion für Südostasien in Berlin // Europas Jazzstars beim 20. Internationalen Jazzfestival in Münster // Die erste Regensburger Scheibenjury tagte im Leeren Beutel // Konrad und Tüür komponieren für Big Band und Sinfonieorchester


 JAZZ HEUTE

Leserbrief: Ist Jazz denn Freiheit?
Leserbrief zum Artikel „Jazz ist Freiheit“ von Gilad Atzmon
Leserbrief: Es wird weitergespielt
Zum Bericht Abbi Hübner Jubiläumskonzert


 PORTRAIT / INTERVIEW


Gitarrist und Komponist Gábor Gadó // Multiinstrumentalist und Komponist Nicolas Simion // Geburtstag von Al Jarreau // Saxophonist Stephan-Max Wirth


 PLAY BACK / MEDIEN


Playback.
So klingt Sonet
Eigenproduktionen aus den Jahren 1973 bis 1985
DVD.
Serie „Live at Montreux“ zeigt die besten Konzerte des Festivals
DVD. Norman Granz’ „Jazz in Montreux“
CD. CD-Rezensionen 2005/03
Bücher. Wiener Free-Jazz-Avantgarde ausführlich dokumentiert
Bücher. Neue Bücher amerikanischer Jazzkritiker
Noten. Neues Notenmaterial für Pianisten und Gitarristen
Instrumente. All-In-One-P.A. von Phonic
Medien. link-tipps


 EDUCATION

Abgehört 32. Hommage an den grossen Miles
Dave Hollands Solo über „Pfrancing“
Sunday Night in Zagreb
Jeunesses Musicales International plant World Youth Jazz Orchestra
Kurse // Ausbildungsstätten in Deutschland (pdf)


SERVICE


Critics Choice

Service-Pack 2005/03 als pdf-Datei (Kalender, Clubadressen, Jazz in Radio & TV (264 kb))

Im Jazz nix begrenzen

Der Saxophonist Stephan-Max Wirth im Interview

Stephan-Max Wirth, in Tettnang geboren und aufgewachsen, hat in den Niederlanden sein Musikstudium gemeistert. Anschließend lebte er ein paar Jahre lang in Köln – dort spielte er unter anderem intensiv beim Cologne Jazz Orchestra mit – bis schließlich 1999 Berlin seine Wahlheimat wurde. Der Tenorsaxophonist brachte nun mit „Illumination“ sein neues Album heraus.

Saxophonist Stephan-Max Wirth

Saxophonist Stephan-Max Wirth

Jazzzeitung: Wird die Musik dadurch, dass ein Instrumentarium wie Sitar oder Udu auf dem Album eingesetzt wird – und vor allem der ungewöhnliche Obertongesang – automatisch zu World Jazz?
Stephan-Max Wirth: Meiner Meinung nach ist das nicht der Fall – es sind natürlich, wenn man in diesen Kategorien denken will, solche Elemente dabei. Als aber das Saxophon zum ersten Mal im Jazz Einzug gehalten hat, war das auch neu: davor war es eher ein Marschmusikinstrument. Heute würde da auch keiner mehr dran denken. Von daher, wenn es jemand als World Jazz betrachtet – liebend gerne! Wenn es jemand als puren Jazz sieht – liebend gerne! Da habe ich überhaupt keine Probleme damit …

Ich gehe da allerdings schon in der Tradition der Jazzmusik heran. Deswegen handelt es sich aus meiner Sicht – ich meine den Obertongesang – eher um ein Instrument aus dem World Jazz eingebettet in den Jazz. Gut, hätte das jemand anders gemacht, der selbst aus der Weltmusik kommt und hätte meine Musiker und mich dazugeholt, dann wäre es wahrscheinlich eher Weltmusik mit Jazz. Das ist vermutlich eine Sache der Perspektive.

Jazzzeitung: Alle Mitmusiker deines Ensembles leiten auch eigene Bands – ist das grundsätzlich positiv für das kreative Potential so einer Band oder auch oft anstrengend, weil jeder „sein Ding“ machen will?
Wirth: Es ist nur positiv – von vorne bis hinten! Also, dadurch, dass die einen eigenen Kopf haben, spielen die natürlich ein bisschen eigen. Die Herausforderung besteht dann darin, dass man Kompositionen zur Verfügung stellt, bei denen jeder sich auch austoben darf. Und meine Konzeption ist die, dass ich im Jazz nix begrenzen will: Ich stehe überhaupt nicht auf die Art von Musik, wo alles limitiert ist, wo wir im Prinzip schon wieder in der Popecke rauskommen und trotzdem noch das Banner „Jazz“ oben drüber hängen.

Jazzzeitung: Wie wichtig sind dir in deiner Musik organische Sounds im Vergleich zu künstlich erzeugten Klängen? Anders gefragt: wieviel Elektronik tut gut und wieviel Einsatz von akustisch-selbsterzeugten Sounds ist notwendig?
Wirth: Also, ich bin als Saxophonist von vornherein natürlich ein Akustiker. Und ich mag es sehr gerne, dass ich, wenn ich mit der Trompete zusammenspiele, ein weiteres rein akustisches Instrument dabei habe. Wenn ich aber, wie auf dieser Platte, mit Fender Rhodes und E-Gitarre arbeite, finde ich das einfach wunderbar. Es kommt aus den Lautsprechern ja auch ein akustischer Klang, es ist ja nicht so, dass da nur Elektronik rauskommen würde! Wenn die sinnvoll eingesetzt ist, dann – absolut klasse! Was ich für mich nicht haben wollte, sind Dinge, die in einer Art und Weise vorprogrammiert sind, dass die Musik „eng“ wird: also beispielsweise ein Drumpattern mit festem Ablauf, der keine Interaktion mehr möglich macht, das fände ich schade.

Wenn aber, wie bei „Week E,“ der Stefan Weeke in seinem Solo mit Loops arbeitet kann das in eine freie Bahn übergehen: Er hat ja auch die Loops eingespielt – die sind fest, aber es macht Sinn! Wenn etwas Neues von der Band hinzukommt, kann diese Art von „Elektronik“ direkt beeinflusst und das sofort umgemünzt werden, sodass wiederum Interaktion entstehen kann. Hat man sehr musikalische Leute mit dabei, wie eben auch gerade der Stefan Weeke, dann kann man sich darauf verlassen, dass es auch so kommen wird. In dem Fall habe ich überhaupt nichts dagegen, wenn elektronische Sachen eingesetzt werden. Ich möchte es nur nicht haben, dass Sachen vorprogrammiert sind, das fände ich in Anbetracht des Jazz doch ziemlich unangebracht.

Jazzzeitung: Deine Albumtitel und Coverdesigns zeichnen sich oft durch eine humorige Komponente aus („The Noise of Starlight,“ „Mythos,“ „Fish & Monkey“). Inwieweit sind Humor und gelegentlich auch Ironie wichtig für die Musik, für den Umgang mit ihr und vielleicht auch für die Selbstwahrnehmung?
Wirth: Die „Illumination“-CD ist wahrscheinlich nicht die humorigste – das Vorgängeralbum „Fish & Monkey“ wird es wahrscheinlich eher sein. Und „Mythos“ hatte auch eine gewisse Ironie mit drin. Ich finde, dass Humor oder Ironie absolut Bestandteil vom Ganzen sein sollten. Ich halte überhaupt nichts mehr davon, oder habe noch nie etwas davon gehalten, dass wir Jazzmusiker uns jetzt, 2004, benehmen sollten, als ob wir 1954 unterwegs wären! Die Einstellung bei Jazzmusikern ist oftmals die, dass die Leute von sich denken, sie wären irgendwie an der Spitze der Musikentwicklung. Das stimmt definitiv nicht! Wer sich mal ein bisschen in andere Musikstilistiken reingehört hat: bei der Neuen Musik, da sind Sachen dabei, da können wir Jazzer ganz schön die Ohren anlegen! Und wir sind ja schließlich auch in der Branche der Unterhaltung zugange.
Was aber nicht heißt, dass keine Ernsthaftigkeit in der Musik enthalten sein sollte: Die Sachen müssen gut gespielt sein, müssen Inhalt haben, eine Aussage treffen. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist man sowieso verloren. Aber man kann auch nicht eine Sache mit Aussage auf die Art und Weise trimmen, dass man beim Cover auf das zurückgreift, was vor fünfzig Jahren aktuell war. Ich finde, wir sollten da schon ein wenig mit der Zeit gehen.

Carina Prange

CD-Tipp

Stephan-Max Wirth: Illumination
Bos.Rec. 216-04/Vertrieb: JARO

www.stephanmaxwirth.de


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