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Die Aktivitäten von Rundfunk und (seit 1976) Fernsehen der DDR erbrachten eine überraschende Vielzahl an jährlichen Sendungen, etwa mit vollständigen Palastkonzerten sowie auch Live-Übertragungen, wodurch Attraktivität und Popularität des Festivals, auch des „Dixieland“ im allgemeinen, zu ungeahnter Größe und Ausstrahlung – mit internationalen Dimensionen – gelangte. Überdies erschien seit 1974 in regelmäßiger Folge ein Jahrers-Querschnitt auf Amiga-LP. Faktoren, die das allgemeine Interesse am „Dresdner Festival“ ungemein intensivierten. Es war ein geradezu gigantischer Publikumszuspruch zu verzeichnen, der letztlich den Veranstalter „Stimme der DDR“ zur kontinuierlichen Erweiterung des Festivals regelrecht zwang, ihn zusätzlich zum Kulturpalast weitere Spielstätten (selbst in Hochschulen und Universitäten, sogar Großbetrieben) eröffnen ließ. Zu den neuen Partnern gehörte auch der heute Legende darstellende Jazzklub „Tonne“ im Keller des bombenzerstörten Kurländischen Palais, der (mit Hilfe des Festivals) die städtische/staatliche Genehmigung als Einrichtung des Kulturbundes erhalten hatte und sich als zentraler Kommunikations- und Session-Treffpunkt des Festivals außerordentlich verdient machte und bei den Musikern allergrößte Beliebtheit besaß.
Die Dresdner identifizierten sich total mit „ihrem“ Festival. Dass die Besucherzahlen schon nach wenigen Jahren in die Hunderttausende gingen und sich an der erstmals 1978 durchgeführten „Street Parade“ mehr Menschen freiwillig beteiligen würden als an der staatlich befohlenen 1.-Mai-Demonstration, – wer hätte das je vorausgesehen?! Ein unvergleichliches Phänomen, das allein mit „Dixie Fieber“ sehr unvollkommen erklärt ist. Es wirkten wohl mehrere, zweifelsohne auch politische Komponenten: Die allgemeine Unzufriedenheit im Zeichen der „Mauer“; die in Dresden besonders spürbaren wirtschaftliche Engpässe; kein „West“-Fernsehempfang (!) aufgrund der Talkessel-Lage der Stadt (woraus der treffliche Begriff „Tal der Ahnungslosen“ resultierte); typische Dresdner Mentalität und Zusammengehörigkeitsgefühl á la „wir lassen uns nicht unterkriegen“; der melodisch unkomplizierte, rhythmisch-vitale, in seiner locker-ungezwungenen Art nicht „Staatlichkeit“, sondern „Freiheit“ assoziierende und kommunikativen Frohsinn entfachende Dixieland; nicht zuletzt das internationale Flair mit dem Hauch der „großen, weiten Welt“. Dass in diesem prallen Bündel an Emotionen einer Band aus der BRD besondere Bedeutung zukam, wen wundert´s? Dafür prototypisch (und unvergessen!) die erstmalige Mitwirkung einer WEST-Berliner Formation, der „Umbrella Jazzmen“, 1979. Als die Band die Freilichtbühne „Junge Garde“ betrat (wo stets eine besonders „dichte“ Atmosphäre herrscht), öffneten sich im achttausendköpfigen Begrüßungsjubel spontan mehrere tausend Umbrellas. Was für ein Bild! Und was für eine eindeutige Sympathie-Demonstration! In der Tat, das Festival besaß auch Ventilwirkung. Dass die Polit-Obrigkeit zunehmend Sorgen bekam und öffentliche „Aktionen“ befürchtete – die nie eintraten, weil die Dresdner IHR Festival als unersetzbare Kostbarkeit viel zu sehr ins Herz geschlossen hatten – überraschte niemanden. Eine Zunahme an Kontrolle durch Polizei und „Zivilpersonen“ war nicht zu übersehen. Auch wurde manche kleingeistige, lächerliche „Vorsichtsmaßnahme“ getroffen, etwa die Unterbringung der „West“- und „Ost“-Musiker in getrennten Hotels, womit etwa die zur guten Gewohnheit gewordenen, fröhlichen spätnächtlichen und frühmorgendlichen Hotel-Foyer-Meetings unterbunden werden sollten. Deutsch-Deutsche Annäherungen zählten mit zum Schlimmsten, weshalb BRD- und DDR-Bands niemals unmittelbar hintereinander oder gar nebeneinander auftreten durften. Auch sollte eine BRD-Band nicht als letzte im Konzert spielen, um sie nicht als „Schluss-Trumpf“ erscheinen zu lassen. Und die obligatorische Abschluss-Jam-Session, die bei überdimensionaler Gruppierung bekanntermaßen auch einer gewissen Organisiertheit bedarf, sollte selbstredend von keinem BRD-Solisten „dirigiert“ werden. Das Publikum hat von diesem bitter-grotesken Polit-Background, mit dem übrigens die eigentlichen Festival-Macher wahrlich nichts zu tun hatten, nie etwas gespürt. Und eine Jam Session verlief letztendlich stets einzig und allein nach den Eingebungen der Musiker, gleichgültig, ob der „Dirigent“ aus Kopenhagen, Paris, London, Warschau oder München kam. Dieses dunkle „Nebenkapitel“ ist seit der „Wende“ glücklicherweise Vergangenheit. Geblieben ist das Internationale Dixielandfestival, das von den Dresdnern heute als eine historisch gewachsene, von ihnen intensiv mitentwickelte und nicht mehr wegzudenkende Tradition, ja Institution, bewertet und – mit neuerwachtem Zusammengehörigkeitsgefühl – unverändert kraftvoll bewahrt wird. Dass das Festival nach dem plötzlichen Wegfall der gesicherten Gesamtfinanzierung aus dem Staatshaushalt (womit jegliches finanzielle Risiko ausgeschlossen war) nicht der „Abwicklung“ anheim fiel, ist den beiden „Machern“ Erich Knebel und Joachim Schlese (siehe 1.Teil) zu verdanken. Sie stürzten sich in das ihnen bislang völlig unbekannt gewesene Terrain des „Kultur-Sponsoring“, reisten dazu in die „Altländer“, wurden fündig und konnten 1991 nahtlos mit dem 21. Festival fortfahren. Zuvor, im Herbst 1990, hatte Schlese die Gründung der „Sächsischen Festival Vereinigung e.V.“ als wesentlichste juristische Voraussetzung für den Fortbestand des Festivals bewirkt, womit dieses nunmehr eine ausschließlich Dresdner Verankerung gefunden hat. Mit Joachim Schlese als Leiter, hat das Festival seither zu noch imposanteren Dimensionen gefunden, mit einer früher nicht denkbar gewesenen Zahl an teilnehmenden Bands, mit einheimischen Sponsoren nach der Devise „Dresdner Betriebe für das Dresdner Festival“ sowie einer eng-produktiven Zusammenarbeit mit dem MDR Radio Sachsen/Sachsenspiegel. Karlheinz Drechsel |
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