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In der Menge der Musiker des Münchner Rundfunkorchesters, die sie auf der Bühne des Prinzregententheaters vorne, hinten und zur Rechten umrahmten, drohten sie optisch unterzugehen, die 18 Mitglieder des Landes-Jugendjazzorchesters Bayern. Musikalisch waren sie ihren mehr als 90 Kollegen aus dem klassischen Lager durchaus ebenbürtig. Davon konnte sich das vorwiegend jugendliche Publikum bei drei Aufführungen des 3. Jugendkonzertes des Bayerischen Rundfunks ebenso überzeugen wie zehn Tage später die Radiohörer. Auffällig die geringe „Frauenquote“ in beiden Klangkörpern; während bei den Rundfunkprofis „natürlich“ die Harfenistin und einige Streicherinnen das Bild der vorherrschenden schwarzen Anzüge ein wenig auflockerten, waren es bei den Nachwuchsjazzern immerhin die Schlagzeugerin und die Bassposaunistin, die in eine offensichtlich immer noch männliche Domäne eingebrochen sind. „Jazz und Klassik“ hieß das Programm, das damit vielleicht für manchen einen etwas gewollten, pädagogischen Charakter bekam. Sind solche Bemühungen in den letzten Jahrzehnten doch allzu oft an ihrer Künstlichkeit gescheitert. Anders an diesem Abend, der unter der Leitung von Gastdirigent Roman Brogli-Sacher eine gelungene Verbindung von (moderner) Klassik und Jazz brachte, mit gewollten Reibungen, aber ohne Reibungsverluste. Mit anderen Worten ein doppelter Triumph der stilistischen Offenheit und der universellen Sprache der Musik, in der beide Orchester perfekt miteinander kommunizierten. Lediglich die Moderation eines Nicolai des Coudres, der mit gezwungener Fröhlichkeit und krampfhafter Lockerheit, dafür mit um so weniger Sachkenntnis und weit unter dem Niveau seines konzentriert zuhörenden jungen Publikums agierte, fiel da peinlich aus dem Rahmen. Dabei wären profunde Erklärungen zu Stilen und Stücken in diesem Rahmen sicher nicht deplaziert gewesen, denn das anspruchsvolle einstündige Programm stellte für Zuhörer und Musiker gleichermaßen eine Herausforderung dar. Das Rundfunkorchester stellte sich mit der „Cuban Overture“ von George Gershwin vor, der ja auch für den Jazz kein unbedeutender Komponist ist. Hier allerdings dominierte das klassische Idiom gegenüber den Einflüssen (afro-) kubanischer Musik, die für den Jazz ja durchaus prägend waren. Mit einem swingenden „My Heart Belongs To Daddy“ aus dem Musical „Leave It To Me“ von Cole Porter, einem Zeitgenossen Gershwins, stellte Harald Rüschenbaum dann sein Jazzorchester vor. Das folgende melodische „See The World“ aus der Feder von Pat Metheny, des vom Rock beeinflussten Kultgitarristen der 80-er Jahre, bewies die Vielseitigkeit des Jugendorchesters und die Virtuosität seiner Solisten, hier insbesondere des 20-jährigen Gitarristen Max. Das LJJO Bayern kommt vier- bis fünfmal im Jahr zu Arbeitsphasen zusammen. Auf rund 180 Nachwuchsmusiker zwischen 16 und 25 Jahren, die das Probespiel erfolgreich absolviert haben, kann Rüschenbaum derzeit zurückgreifen. Sie bilden den Fundus für je zwei Nachwuchs- und Konzert-Bigbands. Die hier konzertierende Band besteht in dieser Besetzung seit einem dreiviertel Jahr und hatte jetzt ihre größte musikalische Herausforderung zu bestehen, vielleicht sogar die größte in der gut 15-jährigen Geschichte des Jugendjazzorchesters. Die Einladung dazu kam von der Redaktion der Jugendkonzerte von Bayern 4 Klassik. Im Januar begann die Einstudierung für den Jazznachwuchs, dann kamen an den Tagen vor der Aufführung zwei gemeinsame Proben mit dem Rundfunkorchester, die zeigten, dass auch die Berufsmusiker ihre Probleme mit dem 20-minütigen Hauptwerk hatten. Denn das gemeinsam von beiden Klangkörpern dargebotene „Konzert für Jazzband und Symphonieorchester“ von Rolf Liebermann ist wirklich keine leichte Übung. 1954, bei seiner Uraufführung bei den avantgardistischen Donaueschinger Musiktagen, die sich seitdem langsam auch dem Jazz öffneten, wurde es von dem damals führenden Jazz-Orchester Kurt Edelhagen und dem Symphonie-Orchester des Südwestfunks unter der Leitung von H. Rosbaud gespielt. Der 1999 verstorbene Zwölfton-Komponist gab in diesem 20-minütigen Werk seiner Neigung zum Jazz breiten Raum. Bewusst hat er vor allem den Streichern des Symphonieorchesters, mit Akzenten der Holzbläser, die Saxophonisten und Blechbläser der Jazzband entgegengesetzt. Ebenso, allerdings mit nahtlosem Übergang, der Introduction, den Scherzi I und II und dem Interludium abwechselnd drei Jazz-„Tänze“. Mit Jump, Blues, Boogie-Woogie hatte das LJJO dabei den dominierenden, weil lebendigeren Part. Für Improvisationen blieb naturgemäß trotzdem nur ein sehr begrenzter Raum, den die jungen Jazzer aber weidlich nutzten, was besonders dem Pianisten beim „Zwölfton-Boogie“ einiges abverlangte. Im abschließenden Mambo waren dann beide Orchester vereint und Harald Rüschenbaum durfte dabei zusammen mit den klassischen Kollegen seinem Hauptberuf als Jazzschlagzeuger auch solistisch an der lateinamerikanischen Percussion nachgehen. Karsten Gorzel, einer der Dozenten des LJJO Bayern, stellte in seiner abschließend aufgeführten Komposition „A Remark You Made“ mit Variationen und Improvisationen über ein Thema von Joe Zawinul aus „Symphonic Games“ die Bigband ganz in den Vordergrund, mit hymnischen Chorussen, zu denen das Rundfunkorchester einen feinen Klangteppich webte. Jazz und Klassik waren in diesem Programm keine Gegensätze, sondern eine ganz natürlich wirkende Verbindung, die Musiker und Publikum in Zufriedenheit vereinte. Godehard Lutz |
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