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Manchmal könnte man glauben, dass talentierte junge Jazzer in Skandinavien auf den Bäumen wachsen. Tord Gustavsen heißt die jüngste Entdeckung. Im Trio mit Harald Johnson am Bass und Drummer Jarle Vespestad – die drei bildeten bisher die Begleitband der Sängerin Silje Nergaard – hat der norwegische Pianist jetzt seine Debüt-CD „Changing Places“ vorgestellt, mit der sich die lange Tradition der nordischen ECM-Einspielungen fortsetzt. Es ist ein minimalistisch auf lyrische Themen konzentriertes Meisterwerk, das verblüffend selbstbewusst mit der traditionellen Formensprache spielt und doch ganz eigene Geschichten erzählt. Für die Jazzzeitung sprach Oliver Hochkeppel mit Tord Gustavsen (im Bild rechts).
Jazzzeitung: Deine Debüt-CD wirkt fast ein bisschen wie die Trio-Version von Keith Jarretts „The melody at night with you“. Gibt es da irgendeinen Einfluss? Tord Gustavsen: Wie könnte man als Pianist meiner Generation nicht von Jarrett beeinflusst sein. Aber bei der genannten Platte hat er ja Standards interpretiert. Ich will meine eigenen Kompositionen vorstellen, wenn auch vielleicht in einer ähnlichen Sprache. Jazzzeitung: Ein anderer Einfluss, den man heraushören kann, scheint mir Edvard Grieg zu sein. Gustavsen: Wirklich? Interessant. Aber es stimmt, die Art, wie er Melodien und Harmonien behandelt hat, führt einen dazu, sich näher mit unserer musikalischen Tradition zu beschäftigen. Die komplexen rhythmischen Metren der norwegischen Volksmusik zum Beispiel, in der ungerade, fast funky gezählt wird, das ist ein Teil dessen, was wir machen. Jazzzeitung: Gemessen an der Bevölkerungszahl gibt es ja unheimlich viele erfolgreiche skandinavische Jazz-Musiker. Was ist das Geheimnis des Erfolges? Gustavsen: Da gibt es eigentlich kein Geheimnis. Vielleicht hat es damit zu tun, dass wir jetzt die Früchte der späten 70er Jahre – also der Zeit der ersten norwegischen ECM-Aufnahmen – ernten, als man hier mit dem Blick auf den amerikanischen Jazz etwas Eigenes aufgebaut hat. Außerdem gibt es natürlich eine ausgezeichnete Jazz-Ausbildung, zum Beispiel in Trondheim, wo ich studiert habe. Dort kombiniert man eine gründliche Unterweisung im Jazz-Mainstream mit extensivem Gehörtraining. Jeder Student bis hin zu den Schlagzeugern muss da singen, scatten und improvisieren, um eine Gefühl für Musik zu bekommen und einen eigenen Beitrag zu entwickeln. Die Atmosphäre ist sehr offen, man wird ermutigt, alles auszuprobieren, was man im Sinn hat. Jazzzeitung: Silje Nergaard, mit der ihr zusammen spielt, ist bei emarcy/Universal
unter Vertrag, Jarle mit der Band „Farmers Market“ beim Münchner
Label Winter & Winter. Wie seid ihr bei ECM gelandet? Jazzzeitung: Erzählen die Songs norwegische Geschichten? Gustavsen: Nein, Fjorde, Vögel und Bäume habe ich nicht im Kopf. Ich will nicht illustrieren. Ich mag es, wenn Musik abstrakte Geschichten erzählt, die die Vorstellungskraft des Hörers herausfordern. Natürlich dreht es sich bei dieser CD um romantische, melancholische Stimmungen. Ich bin stark von der dialektischen Philosophie beeinflusst. So ist das Leben: Man muss sich anderen öffnen und sich zugleich von ihnen absondern, um sich zurück zu geben. Man wird einerseits vom Augenblick aufgesogen und muss doch den Zeitstrom vor Augen haben, um nicht hoffnungslos verloren zu sein. Das ist in der Musik ganz genauso: Du brauchst das Gespür für den Augenblick, während du gleichzeitig Zeitloses konstruierst, das du aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten kannst. |
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