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Jazzzeitung

2003/05  ::: seite 1

titelstory

 

Inhalt 2003/05

STANDARDS

Editorial / News / break
musiker-abc:
Herbie Nichols
all that jazz:
Schreie, Flüstern, Stille
no chaser:
Klangspiele
Farewell.
Roland Hanna
Farewell. Jutta Hipp
Die Jazzzeitung verabschiedet sich von ...


TITEL / DOSSIER


Den Zeitstrom vor Augen
Das Tord Gustavsen Trio und sein Debüt bei ECM
it’s the economy, stupid
Wie der ökonomische Absturz Berlins den Jazz beflügelt


BERICHTE


Berlin.
Carlos Bica
Dresden. „Dresdner Philharmoniker anders” feiern Erfolge
Hamburg. Preisträgerkonzert „Jugend jazzt“
München. Münchner Rundfunkorchester und LJJO Bayern beim 3. Jugendkonzert
München. Branford Marsalis
Regensburg. Erika Stucky


PREVIEW

Internationales Dixieland Festival Dresden (Teil 2):
Gegenwart und Vergangenheit


 JAZZ HEUTE


Kleine feine Reihe. Frischer Wind in der Unterschleißheimer Jazzreihe
Keine leichte Entscheidung.
Nachwuchswettbewerb der Jazzfreunde Straubing und des Bayerischen Rundfunks
Leserbrief. Zur Grant Green-Retrospektive, Ausgabe 3/03, Seite 16


 PORTRAIT / INTERVIEW


Groovt wie die Sau.
Wolfgang Schmid & Special Kick
Die eigene Vorstellung vom Groove.
Peter Weniger
Grossformat und intime Dialoge.
Carla Bley
Musik die direkt ankommt. Lucas Niggli
Ein durchdachtes Konzept. Wie das Label Jazz’n’Arts Records im Markt Fuß fassen will


 PLAY BACK / MEDIEN


CD. CD-Rezensionen 2003/05
Bücher. Neue Bücher erschienen in New York und London
Noten. Notenausgaben für Drummer und Saxophonisten
Instrumente. Kleinigkeit von Pearl
Medien. BR-Jazz-Redakteur Joe Kienemann geht in Rente
Medien.
Bildungskanal BR-alpha nimmt Burghausen-Konzerte auf
Internet
. Link-Tipps


 EDUCATION


Abgehört 15. Herbie Hancocks Solo über „Seven Steps To Heaven“
Singen lernen lohnt sich. Anette von Eichel: Jazzgesang an der Kölner Hochschule
Studieren. Infos, Fortbildungen etc.


SERVICE


Critics Choice

Service-Pack 2003/05 als pdf-Datei (kurz, aber wichtig; Clubadressen, Kalender, Jazz in Radio & TV, Jazz in Bayern und anderswo (714 kb))

Den Zeitstrom vor Augen

Das Tord Gustavsen Trio und sein Debüt bei ECM

Manchmal könnte man glauben, dass talentierte junge Jazzer in Skandinavien auf den Bäumen wachsen. Tord Gustavsen heißt die jüngste Entdeckung. Im Trio mit Harald Johnson am Bass und Drummer Jarle Vespestad – die drei bildeten bisher die Begleitband der Sängerin Silje Nergaard – hat der norwegische Pianist jetzt seine Debüt-CD „Changing Places“ vorgestellt, mit der sich die lange Tradition der nordischen ECM-Einspielungen fortsetzt. Es ist ein minimalistisch auf lyrische Themen konzentriertes Meisterwerk, das verblüffend selbstbewusst mit der traditionellen Formensprache spielt und doch ganz eigene Geschichten erzählt. Für die Jazzzeitung sprach Oliver Hochkeppel mit Tord Gustavsen (im Bild rechts).

Titelbild (v.li.): Jarle Vespestad (dr), Harald Johnsen (b) und Tord Gustavsen (p). Foto: Laeskogen/ECM Records

Jazzzeitung: Deine Debüt-CD wirkt fast ein bisschen wie die Trio-Version von Keith Jarretts „The melody at night with you“. Gibt es da irgendeinen Einfluss?

Tord Gustavsen: Wie könnte man als Pianist meiner Generation nicht von Jarrett beeinflusst sein. Aber bei der genannten Platte hat er ja Standards interpretiert. Ich will meine eigenen Kompositionen vorstellen, wenn auch vielleicht in einer ähnlichen Sprache.

Jazzzeitung: Ein anderer Einfluss, den man heraushören kann, scheint mir Edvard Grieg zu sein.

Gustavsen: Wirklich? Interessant. Aber es stimmt, die Art, wie er Melodien und Harmonien behandelt hat, führt einen dazu, sich näher mit unserer musikalischen Tradition zu beschäftigen. Die komplexen rhythmischen Metren der norwegischen Volksmusik zum Beispiel, in der ungerade, fast funky gezählt wird, das ist ein Teil dessen, was wir machen.

Jazzzeitung: Gemessen an der Bevölkerungszahl gibt es ja unheimlich viele erfolgreiche skandinavische Jazz-Musiker. Was ist das Geheimnis des Erfolges?

Gustavsen: Da gibt es eigentlich kein Geheimnis. Vielleicht hat es damit zu tun, dass wir jetzt die Früchte der späten 70er Jahre – also der Zeit der ersten norwegischen ECM-Aufnahmen – ernten, als man hier mit dem Blick auf den amerikanischen Jazz etwas Eigenes aufgebaut hat. Außerdem gibt es natürlich eine ausgezeichnete Jazz-Ausbildung, zum Beispiel in Trondheim, wo ich studiert habe. Dort kombiniert man eine gründliche Unterweisung im Jazz-Mainstream mit extensivem Gehörtraining. Jeder Student bis hin zu den Schlagzeugern muss da singen, scatten und improvisieren, um eine Gefühl für Musik zu bekommen und einen eigenen Beitrag zu entwickeln. Die Atmosphäre ist sehr offen, man wird ermutigt, alles auszuprobieren, was man im Sinn hat.

Jazzzeitung: Silje Nergaard, mit der ihr zusammen spielt, ist bei emarcy/Universal unter Vertrag, Jarle mit der Band „Farmers Market“ beim Münchner Label Winter & Winter. Wie seid ihr bei ECM gelandet?
Gustavsen: Zunächst habe ich alles selbst produziert, als ich das Gefühl hatte, dass es an der Zeit ist, meine Kompositionen einzuspielen. Ich habe gehofft, dass es irgendwer veröffentlicht. Wir haben im selben Osloer Studio aufgenommen, das ECM benutzt. Ein Toningenieur hat unser Band dann Manfred Eicher gegeben, und ein paar Tage später hat er angerufen.

Jazzzeitung: Erzählen die Songs norwegische Geschichten?

Gustavsen: Nein, Fjorde, Vögel und Bäume habe ich nicht im Kopf. Ich will nicht illustrieren. Ich mag es, wenn Musik abstrakte Geschichten erzählt, die die Vorstellungskraft des Hörers herausfordern. Natürlich dreht es sich bei dieser CD um romantische, melancholische Stimmungen. Ich bin stark von der dialektischen Philosophie beeinflusst. So ist das Leben: Man muss sich anderen öffnen und sich zugleich von ihnen absondern, um sich zurück zu geben. Man wird einerseits vom Augenblick aufgesogen und muss doch den Zeitstrom vor Augen haben, um nicht hoffnungslos verloren zu sein. Das ist in der Musik ganz genauso: Du brauchst das Gespür für den Augenblick, während du gleichzeitig Zeitloses konstruierst, das du aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten kannst.

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