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stellen Sie sich vor, Sie sind Musiker, vielleicht Posaunist. Nachdem Sie ein paar Jahre im Ausland waren, sind Sie wieder zurückgekehrt in Ihre Heimatstadt und versuchen wieder Anschluss zu bekommen an die örtliche Jazzszene. Zu Beginn zahlen sich die wenigen Engagements noch nicht aus. Sie verdienen sich ihr Geld als Taxifahrer. Als Sie mal wieder mit ihrer Droschke in der Innenstadt auf Kundschaft warten, steuert eine Blondine auf Ihr Taxi zu und steigt ein. Das Mädchen ist Anfang zwanzig und will zu einem klassischen Open Air Konzert am Stadtrand. Sie sind ein kommunikativer Mensch, man kommt ins Gespräch, und es stellt sich heraus, sie ist eine Kollegin: Pianistin und Sängerin aus den USA. Man tauscht Adressen aus, und einige Wochen später gehen sie ein Konzert von ihr. Sie sind sofort tief beeindruckt von der aufregenden Phrasierung Ihrer neuen Bekanntschaft, von der Selbstverständlichkeit und Schnörkellosigkeit, mit der sie auf der Bühne agiert. Sie laden das Mädchen ein, in ihrem neuen Quartett zu spielen und nach einigen gemeinsamen Auftritten entsteht am Ende sogar ein Mitschnitt. Da Sie den für ganz gelungen halten, versuchen Sie ihn diversen Schallplattenfirmen anzubieten, doch keine zeigt Interesse. Die Bänder verstauben irgendwo in einem Regal.
Hier könnte die Geschichte zu Ende sein, wenn der Twen nicht Diana Krall geheißen hätte und gut zehn Jahre nach dieser Begegnung im Jahr 1988 zum Jazzstar avanciert wäre. Der als Taxifahrer jobbende Musiker war der in der Schweiz lebende US-amerikanische Posaunist und Sänger Vince Benedetti: Unter dem vielsagenden Titel „Heartdrops” sind seine Bänder jetzt endlich veröffentlicht. Diese Herzblutgeschichte schien es mir Wert, einmal ausführlicher erzählt zu werden, als dies auf unserer CD-Strecke geschehen könnte. Wie ein Pawlowscher Hund reagiert die Plattenindustrie auf Stars: Hieße die Sängerin und Pianistin auf Benedettis Platte nicht Diana Krall, kein Label würde sich heute dafür interessieren. Es gäbe keine neue Devotionale für die „Krallianer“ – und Vince Benedetti hätte nie die Chance bekommen, seine „Heartdrops” endlich doch noch in harte Schweizerfranken zu verwandeln. Andreas Kolb |
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