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Die vordergründigen Fakten zu Les McCann sind bekannt: Geboren am 23. September 1935 in Lexington, Kentucky. Musikalischer Autodidakt. Er spielte und teilte die Bühne zusammen mit Ben Webster, Richard Groove Holmes, und The Jazz Crusaders. Er unterhielt enge Beziehungen zu Miles Davis und Duke Ellington. Seine Platte Swiss Movement (Atlantic, 1969) entwickelte sich zu einer der bestverkauften Souljazzplatten.
Am 4. März 2002 erscheint McCanns 45. Album Pump it up (ESC/EFA) unter Mitwirkung von Marcus Miller, Maceo Parker, Ricky Peterson, Bill Evans, John Robinson oder Paul Jackson jr. Joachim Becker, Labelchef von ESC, fragte McCann und dessen Produzenten Alan Abrahams, ob Les nicht eine Platte für ESC aufnehmen wolle, purer Funk, kein Smooth-Jazz-Ding. Wollten und konnten sie. Wobei Les McCann nicht sofort wusste, wie die Platte ausfallen würde: Sicher, man hat Ideen und genaue Vorstellungen, wie Funk klingt. Eine Richtung gibt es immer. Erst als wir uns zu einem Gedankenaustausch in einem kreativen Team trafen, wussten wir, wohin wir mit der Platte wollten. Im Endeffekt blieb nur noch die Frage, wie wir die Texte, die Songs und die Ideen in der Form zusammenfügen, so wie wir uns das vorstellten. Obwohl diese Einladung von ESC-Chef Becker, eine Platte zu machen, Les McCann keine ungewohnte oder zusätzliche Freiheit verschaffte. Als Jazzmusiker hat man genug Freiraum. Bei dieser Platte ging es mehr um das kreative Element. Einen speziellen Punkt zu erreichen. Das ist gelungen und hier ist die Platte. Eine Platte, der man nicht einfach eine Nummer geben kann. Zeitgeschichtliche Einordnung trifft da schon eher zu. Les McCann hat zu allen Zeiten Platten gemacht. Krieg, Frieden und Terrorismus. Unvergessen bleibt die Anti-Vietnam Hymne Compared to what. Obwohl McCann darauf besteht, dass der Song nicht als Hymne geplant war. Es war der richtige Zeitpunkt. Die Medien dachten, das passt ganz gut und es gab zu dieser Zeit keinen anderen Song. Natürlich war es ein Protestsong. Damals hatte man wenigstens noch die Möglichkeit, Songs zu Protestsongs zu machen. Gibt es eine Periode, in der er es nicht missen möchte, Musik gemacht zu haben? Les McCann: Gerade jetzt und heute. Musik, wie sie auf Pump it up zu hören ist, Musik die dich bewegt. Die Menschen kämpfen gegeneinander, Kriege werden geführt. Eigentlich ist es das selbe wie immer. Diese Art der Musik wird immer gebraucht. Wir sind Teil dieser Vorgänge. Wir sind mittendrin. Mittendrin in McCanns Funk. Stets hat er zum Funk zurückgefunden. Dennoch lief er mal Gefahr, den Funk zu verlieren. Wenn man als Band auf Tour ist und ständig spielt, kann es durchaus langweilig werden und man gerät ins Schlingern. Doch man findet den Weg zurück. Ich bin ein Mann der Kirche und aus Kentucky. Also muss der Funk zurückkommen. Und die Leute, die mit mir spielen, kennen mich nicht anders. Würde ich keinen Funk spielen, würden sie merken, dass etwas nicht stimmt. McCann war immer McCann. Ist wieder McCann, ließe sich hinzufügen. 1995 erlitt er einen schweren Schlaganfall. Les McCann musste von vorne anfangen. Motorische Fähigkeiten neu erlernen. Eine Zeit, an die er sich ungern erinnert: Ich habe es gehasst, jeden Tag zum Arzt zu gehen. Stundenlange Therapien. Gott sei Dank hatte ich Freunde um mich, die mich während des Genesungsprozesses begleiteten und mir sagten, du musst da durch, wenn du wieder gesund werden willst. Und Musik war ohne Frage meine wichtigste Therapie. Aber auch seine anderen künstlerischen Passionen ebneten ihm den Weg zurück. McCann ist Fotograf und Maler. Er stellt seine Bilder aus. Natürlich an erlesenen Orten. Die gemalten in Galerien, die geschossenen beim Montreux Jazz Festival. Gibt es Unterschiede, einen Song zu schreiben oder ein Bild zu malen? Keine Unterschiede, sagt McCann, es ist beides Kreativität. Keine besondere Stimmung, keine spezielle Atmosphäre? Nein, ich singe während des Malens. Also singt Les McCann Bilder. Ja, könnte man so sagen, das ist gut. Wenn ich so richtig im Malen vertieft bin, kommt es schon vor, dass ich eine Melodie singe. Dann schreib ich mir das natürlich auf. Geschrieben hat man, dass McCann nach Swiss Movement (1960) viele traditionelle Jazzfans verloren hätte. Interessiert ihn diese Jazzdiskussion überhaupt? No, no, no. McCann prustet sichtlich amüsiert: Ich wusste gar nicht, dass ich traditionelle Jazzfans habe. Nein, an dieser Diskussion beteilige ich mich nicht. Jeder hört das, was er hören will. Verbauen diese Jazzanhänger nicht eine längst fällige Öffnung des Jazz? Sollten sie nicht toleranter sein? Das können sie nicht sein, entgegnet Les McCann, es sind Jazzfans. Die anderen Fans konnten sich stets gut mit McCann arrangieren. Sein ehemaliger Produzent Joel Dorn sagte einst: Les hat die perfekte Verbindung zwischen Kirche und Swing. McCann legt jedoch Wert darauf festzustellen, dass seine Kirche nicht das Gebäude an der Straße ist. Meine Kirche ist hier, sagt er und deutet auf sein Herz. Hier drinnen ist das, was man fühlt, was das wirkliche Leben bedeutet und wie man es lebt. Sven Ferchow |
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