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Von Skandinavien her buhlen in letzter Zeit verstärkt Sängerinnen um unsere Aufmerksamkeit: Die 26-jährige, vom gleichnamigen Romancier abstammende Viktoria Tolstoy legt nun auch schon ihr viertes Album vor. Der gebürtigen Schwedin steht ein druckvoll agierendes Begleittrio zur Seite, dessen Kopf Jacob Karlzon außer Klavier noch Hammondorgel, Vibraphon und Marimba spielt, was spannende Arrangements ermöglicht. Die ausgewählten Stücke sind auch nicht gerade öde: Steve Kuhns Saga Of Harrison Crabfeathers zum Beispiel ist ein echter Fund, und wann hört man Laura oder Horace Silvers Peace schon jemals gesungen?
Wie es das Motto des Albums nahe legt, kann man die Schuld daran, dass diese CD so gut gelungen ist, schon auf Tolstoys Jugend schieben: Sie geht mit ungewohnter Frische an die Stücke, aber ohne wirkliches Talent würde ihr die gar nichts nützen. Dabei unterstützt ihre nicht sehr tragfähige, aber angenehm ins Ohr gehende Stimme das genaue Empfinden dafür, wann sie aufs Ganze gehen und wann sie sich zurücknehmen muss, um maximale Wirkung zu erzielen. Der streckenweise fehlende Tiefgang mag ihr mit der Reife noch zuwachsen. Diesen besitzt ihre Kollegin Agneta Baumann reichlich: Comes Love..., die zweite CD, welche sie nach längerer Abwesenheit von der Szene veröffentlichte, hätte bei der Fülle einschlägiger Standards Anlass zu einem Balladenalbum gegeben. Die Schwedin hat dieser Versuchung jedoch nicht nachgegeben und eine selten spritzige Gesangsplatte realisiert, deren Gelingen sich nicht zuletzt dem mitreißend dynamischen, gestopften Trompetenspiel Bosse Brobergs verdankt. Aber auch die hier zu Lande völlig unbekannte Rhythmusgruppe leistet Großes sie lässt über 50 Jahre alte Lieder ganz frisch und unverbraucht klingen. Die eigentliche Überraschung stellt natürlich Frau Baumanns Gesang dar, der alle Fans von weißen
Gesangskoryphäen wie Helen Merrill oder Chris Connor aufhorchen lassen müsste: Wie Frau Tolstoy verfügt
die Baumann über ein rauchiges Timbre und akzentfreie Aussprache, dazu noch Verständlichkeit jeder Silbe
und ein angenehmes Lächeln in der Stimme. Man hat bei der Sopranistin niemals den Eindruck, sie wisse womöglich
gar nicht, wovon sie da singt - hier hat sich die Schule ihres Idols Billie Holiday wirklich bezahlt gemacht. Wenigstens haben die Norwegerin und ihr Co-Produzent (Georg Wadenius) die Standards ihres letzten Albums links liegen gelassen und stützen sich auf neues Songmaterial, auch wenn sie es gelegentlich durch Johnny-Mandel-artige Streicher historisieren. Von kleinen Ausflügen zu Folk oder Pop abgesehen, jazzt Silje Nergaards Begleittrio um den Pianisten Tord Gustavsen sogar ganz ordentlich, auch die Melodien taugen etwas, und die englischen Texte eines gewissen Mike McGurk sind wenigstens nicht peinlich. Auch der Saxophonist Magnus Lindgren kann sich hören lassen. Aber die Crux ist und bleibt Nergaards Stimme, deren kindlich-naives Timbre hier leider weniger an die Sophistication von Blossom Dearie als an das Kalkül der Möchtegern-Lolita Lisa Ekdahl erinnert zum Glück, ohne in deren musikalische Niederungen abzusinken. Mit einer anderen Interpretin wäre diese CD richtig gut so tönt sie wie Fräulein Nergaards private Karaoke-Version eines offiziellen Produkts. Aber wenigstens geht sie ein Risiko ein, was man von den wasserdichten Retro-Produkten einer Diana Krall nicht behaupten kann. Mátyás Kiss CD-Tipps
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