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Auf der Bühne standen nur vier Musiker, aber im Geiste spielte ein Fünfter mit: Chet Baker (19291988). Der Auftritt des Philip Catherine-Quartetts bei der Münchner Konzertreihe Jazz am Gärtnerplatz (29. Januar 2001) stand ganz im Zeichen des großen Trompeters und Flügelhornisten, an dessen Spätwerk der 80-er Jahre Catherine großen Anteil hatte. Dass die Musik dieses europäischsten aller Jazzgitarristen (Jürgen Schwab) und seines belgisch-niederländischen Trios so Chet Baker-haft und kammermusikalisch klang, lag auch, aber nicht ausschließlich an Bert Joris. Der belgische Trompeter und Flügelhornist spielte mit einem wunderbar verhangenem Ton überwiegend in den mittleren Lagen; als großartiger Interpret von Standards ist er im Gegensatz zu so vielen anderen jüngeren Kollegen nicht auf technische Kabinettstückchen in hohen und höchsten Lagen angewiesen. Nicht anders die Band, die Catherine ganz auf das intime, feinsinnige Zusammenspiel getuned hat, zu dem er einst mit Chet Baker, aber auch mit Tom Harrell (auf I Remember You, der bei Criss Cross erschienenen, vielleicht schönsten Chet Baker-Hommage) gefunden hatte: Im Mittelpunkt standen die jeweiligen Stücke, deren Themen Joris und Catherine unisono oder auch zweistimmig spielten zahlreiche Eigenkompositionen Catherines, die melodisch irgendwo zwischen Bebop und chansonartiger Liedhaftigkeit (December 26) angesiedelt sind, aber auch viele Standards, darunter überwiegend Balladen (My Foolish Heart, I fall in love too easily), die zum Teil auch im Trio (Gitarre, Bass, Schlagzeug) interpretiert wurden etwa das wunderbar auf den sanften Swing Philippe Aerts (Kontrabass) und Joost Van Schaiks (Schlagzeug) gebettete Memories of you. Bei den Soli regierte beim Catherine-Quartett kein Virtuositäts-Machismo des Schneller, Weiter, Höher, sondern eine Virtuosität der gemeinsam erzeugten Stimmungen, des Aufeinanderhörens, der Interaktion. Jeder Ton zuviel, jedes sich Vordrängeln, das die lockere Luftigkeit der Up-Tempo-Nummern und die lyrische Gebrochenheit der Balladen auch nur im Ansatz stören könnte, wird vermieden. Und Catherine selbst? Der Gitarrist, der ein wenig wie ein Fischhändler am Hafen von Oostende aussieht und der bei seinen Soli wie ein Zirkusbär über die Bühne tänzelt, ist ein Meister der Dynamik. Balladen beginnt er fast akustisch, um sie zu elektrischer Intensität zu steigern. Gelegentlich setzt er ein Volumenpedal und Effekte ein, meistens um weite, stimmungsvolle Klangflächen zu erzeugen, über die Bert Joris verloren wirkende Trompetentöne setzt. Der merkwürdig billig klingende Verzerrer eine Reminiszenz an seine Ausflüge in den Jazz-Rock? kommt bei Catherine an diesem Abend glücklicherweise nur zweimal zum Einsatz. Als Gitarrist ist Catherine ein stilistischer Eigenbrötler und Individualist. Was andere Jazz-Gitarristen so treiben, scheint ihn nicht einmal marginal zu interessieren: Er spielt in Perfektion und unverdünnt das, was er schon immer spielt. Gelegentlich blitzt in kurzen, intensiven Momenten und rasanten Läufen die Tongebung Django Reinhardts auf, was ihm Anfang der 70-er Jahre den ebenso zutreffenden wie vereinfachenden Spitznamen Young Django eingetragen hat. Im übrigen vertraut er auf seine Musikalität, seine Fähigkeit, abwechlungsreich und doch unaufdringlich zu begleiten, und lässt beinahe jedes Solo in ein kontrapunktisch strukturiertes Duo mit einem seiner Mitmusiker münden. Jazz, das ist für Philip Catherine mehr eine Duo- und Gruppen- als eine Solokunst. Ganz zum Schluss steht dann doch noch tatsächlich ein fünfter Mann auf der Bühne: Johannes Faber, der Erfinder und beliebte Moderator von Jazz am Gärtnerplatz, erklimmt wie bei jedem Konzert die Bühne, um sich mit dem geschätzten Bert Joris weniger ein Trompeten-Duell als einen angeregten Dialog zu liefern. Eine reizvolle Gegenüberstellung zweier ganz unterschiedlicher Trompetenkünstler: Mit neblig, matt-coolem Klang Bert Joris auf der einen Seite, mit strahlend-hellem Klang und einer viel hard-boppigeren Phrasierung Johannes Faber. Claus Lochbihler |
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