Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Zeitzeugen schildern ihn als lässig, elegant, zuvorkommend, höflich. Ein wenig schräg am Klavier sitzend, dem Publikum zugeneigt, wurde Nat King Cole mit seinen sanften Songs zu einem Liebling Amerikas. Die Popularität des Sängers überstrahlte sein Talent als Jazzpianist. Und dennoch hat er seine Herkunft aus dem Jazz niemals verleugnet. Nach Mitwirkung im Sextett seines Bruders Eddie begann Nat King Coles Aufstieg zu einem Musiker mit eigenem Markenzeichen 1937/38 in Los Angeles. Damals formierte er ein Trio, das einen neuen und völlig unverwechselbaren Stil kreierte. Gemeinsam mit dem Gitarristen Oscar Moore und dem Bassisten Wesley Prince, der später durch Johnny Miller ersetzt werden sollte, entwickelte der brillante Pianist eine Gruppen-Qualität, die sich am besten mit einem Wort beschreiben lässt, das seither für alle Trioformationen des Jazz zu einem kategorischen Imperativ wurde: Integration! Das später in großen Konzerthallen gefeierte Trio fand im Sewanee Inn, einem kleinen Klub,
seine erste Heimat. Sowohl Nat Coles Künstlername als auch die Inspiration, sich als Vokalist zu versuchen, gehen
auf die Anfangsjahre und die in Tuchfühlung zum Publikum entwickelte Musik zurück. Ein Gast soll sich damals
gewünscht haben, Nat Cole als Sänger zu hören. Und der Pianist wiederum hätte sich zuerst geweigert
und sei nur unter dem Druck des Clubbesitzers bereit gewesen, ein kleines Lied zu singen. Obwohl Nat Cole selbst meinte,
er klinge nicht gut, war es gerade diese Stimme mit ihrer unaufdringlichen, hingehauchten Überzeugungskraft,
die später Millionen von Zuhörern faszinierte. Anfangs sang Nat Cole nur gelegentlich, um etwas Abwechslung
in das Spiel mit seinem Trio zu bringen. Doch besagter Clubchef muss bereits the sweet smell of success
gerochen haben, als er Nat Cole eines Abends eine Krone aus Silberpapier aufsetzte. Nat Cole, im Taufregister eingetragen
als Nathaniel Coles, nannte sich seither Nat King Cole. Bemerkenswert, was der Pianist Billy Taylor zu Protokoll gab, als er nach der Bedeutung Nat King Coles in New Yorks 52nd Street, der Geburtsmeile des Bebop, befragt wurde: Nat King Cole war in der Straße angesehen, weil er eine persönliche Note hatte. Art Tatum konnte ihn in Grund und Boden spielen. Es kostete ihn ein Lächeln. Aber Nat hatte eine persönliche Note. Ich weiß noch, während einer Session setzte er sich nach Art ans Klavier und spielte ohne Rhythmusgruppe. Menschenskind, das war vielleicht gewagt! Aber Nat spielte die Sachen, die außer ihm keiner spielen kann, und er spielte sie gut. Typisch für seinen Stil ist, was er aus dem Blues macht. Nat hatte Anfang der 40er-Jahre ein Trio in der Straße, und andere Trios begannen ihm zu folgen. Trotz der hohen Anerkennung, die er in Jazzkreisen genoss, folgte Nat King Cole dem Zug zur Popularität. Maria, seine mit einem starken Ehrgeiz ausgestattete zweite Frau, mag ihn darin bestärkt haben. Doch letztlich strebte Nat King Cole, der oft in seinem Leben die Demütigungen eines Schwarzen zu spüren bekam, aus eigenem Antrieb nach größter Popularität. Kurios erscheint freilich, dass er den Song Mona Lisa erst auf Drängen seines Managers Carlos Gastel aufgenommen hat. Nat King Cole meinte, das Thema der geheimnisvollen, vor ein paar Jahrhunderten von Leonardo da Vinci Portraitierten sei zu hochgestochen. Es wurde einer seiner größten Hits. Nat King Cole hat man gelegentlich als den am meisten unterschätzten Pianisten des Jazz, seine Karriere als Sänger mit süßlichen Streichern im Background wiederum als eine Tragödie für die Musik bezeichnet. Sicher hätte er dem Jazz noch mehr geben können, wäre er nicht in den Sog des Entertainment geraten. Als Jazzmusiker erkannte er die Bedeutung des Show-Business: Jazzmusiker müssen eines lernen: die Präsentation. Und andererseits: Selbst wenn er belanglose Liedchen sang, vermochte er aus diesen eigene Geschichten zu machen und mit unnachahmlicher Leichtigkeit große Gefühle hineinzulegen. Eben diese Gabe, Triviales in etwas zutiefst Persönliches zu transformieren, lässt den Vergleich mit dem genialen Louis Armstrong zu. Nat King Cole, der sich oft in die Musik flüchtete, in ihr so etwas wie die Therapie seiner Seele suchte, arbeitete nicht nur mit dem Stoff, aus dem die Träume sind; er hat ihn auch selbst gewebt. Aber sein Ruhm, so die Nat-King-Cole-Biografin Leslie Gourse, und die gnadenlosen Zwänge in seinem Leben von seiner Angst vorm Fliegen, zu dem er so oft gezwungen war, bis zu den Spannungen in seinen Ehen, und das alles angesichts der hundertköpfigen Hydra der landesweiten Rassendiskriminierung und den Missbräuchen, die sich daraus ergaben, dazu noch seine deprimierende letzte Krankheit und sein vorzeitiger Tod durch Lungenkrebs machten aus seiner Formel vom dauerhaften romantischen Glück einen unerfüllbaren Traum. Dennoch wird dieser Traum in seinen Songs immer wieder lebendig. Bert Noglik |
|