Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Jazz ist für viele Leute eine ganz ernste Sache, aber glücklicherweise nicht für alle! Das Freitagabend-Konzert in der Alten Nikolaischule bewies, dass sich niveauvoller Jazz und Humor durchaus gut vertragen. Das Konzept der Plakateure war eigentlich einfach: Improvisationen zu Werbe-Clips der 50er- bis 70er-Jahre. Eddie Tschiech hatte diese charmant-verschrobenen Filmchen dramaturgisch geschickt zusammengestellt und die Musiker kommentierten das jeweilige Geschehen mit sichtlichem Spaß. Nie ließen sie sich zur bloßen Stummfilmbegleitung herab; abwechslungsreiche Arrangements, Tempo und musikalische Gags sorgten für gute Laune und ausgelassene Stimmung im Publikum. Nach der einleitenden Hör-zu- und Tempo-Werbung war das in seiner ganzen Schlichtheit doch sehr eingängige Möbel-Hübner-Lied ein erster Höhepunkt.
Gespielt, gesungen, gepfiffen, gesprochen Vielseitigkeit bestimmte das Programm. Ob Aral, Coca Cola, C&A, Underberg oder Balsen-Cocktailgeflüster: nichts wiederholte sich, nie kam Langeweile auf. Arrangierte Parodien wechselten sich mit freien Improvisationen ab. Am Schlagzeug überzeugte Roland HH Biswurm mit Originalität und regelrechten Energieexplosionen. Als wandlungsfähiger Erzähler-Sprecher war er genial. Helmut Joe Sachse an der Gitarre spielte alles an diesem Abend (Schlager, Country, Free Jazz...) so souverän und espritvoll, wie man es sich nur wünschen kann, und auch der Bassist Thomas Moritz zeigte sich von seiner besten Seite. Aufmerksam und ideenreich synchronisierte er das Leinwandgeschehen oft nahezu perfekt. Und dann war da natürlich noch Rolf Sudmann mit seinen Instrumenten. Ein Großteil des Publikums hatte wahrscheinlich noch nie zuvor die sphärischen Klänge eines Theremins gehört, geschweige denn ein solches je gesehen, und nun gleich beides auf einmal! Außerdem gab es elektronische Sounds aller Art und aller Orten, die Sudmann effektvoll und motiviert einsetzte und die der Musik etwas sehr Spezielles verliehen. Nach der Werbepause machte Konsumbrot die Wangen rot: Werbung aus DDR-Zeiten, die für sich genommen die Lachmuskeln schon stark beanspruchte. Mit der herrlich karikierenden instrumentalen Untermalung verdoppelte sich ihre Wirkung, was einen älteren Herren offensichtlich persönlich so beleidigte (Warum eigentlich? War er mal Konsum-Verkäufer?), dass er laut schimpfend den Ort der allgemeinen Heiterkeit verließ. Die gute Stimmung erreichte ihren Höhepunkt mit der Parteienwerbung aus Ost (SED) und West und flaute bis zum Ende nicht mehr ab. Es bleibt zu wünschen, dass solche Projekte immer mal wieder ihren Platz im regulären Jazzbetrieb finden! Julia Neupert |
|