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Jazzzeitung
2002/03 ::: seite 20
education
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Die Zeit ist vorbei, als man meinte, dass Kinder ausschließlich durch trockene Tonleitern und Etüden
Klavierspielen lernen müssten. Zum Glück weiß man heute, dass man damit dem Wesen von Kindern nicht
gerecht wird und auch nicht dem Wesen von Musik. Nicht von ungefähr liegt schon im Wort Klavier-Spielen
das Spiel selbst begründet: Spiel mit Tönen, mit musikalischen Einfällen nicht festgelegt, sondern
offen für eigenes Gestalten und Erleben. Die ausgewählten leichten Lehr- und Spielbücher möchten
Kindern einen freieren und leichteren Zugang zum Klavier ermöglichen. Mit Absicht hat die Redaktion die Autorin
darum gebeten, nicht nur Jazz pur in ihre aktuelle Übersicht aufzunehmen. Jazz im Klavierunterricht
ist mittlerweile arriviert und ein junger Musiker wird dieser Musikrichtung im Laufe seiner Ausbildung genauso mit
Oscar Peterson, Chick Corea und Keith Jarrett konfrontiert wie mit Kabalewski, Alexander Scrjiabin und Sergeij Prokofieff.
Zunächst aber heißt es sich die Grundbegriffe aneignen: Genau das bieten die Spielhefte, die Gita Magadum
hier vorstellt.
Hans-Günter Heumann: Piano Crash-Kurs (inkl. CD), Bosworth Edition, BoE 7061
Wer denkt, dass Klavierspielen-Lernen eine äußerst langwierige Angelegenheit zu sein hat, wird von
Hans-Günter Heumanns Piano Crash-Kurs eines Besseren belehrt: Hier wird der Schüler schon bei der ersten
Begegnung mit dem Instrument einen kleinen Boogie spielen können! Möglich wird das durch die anschauliche
und innovative Lernmethode, die das Notenlernen nicht theoretisch lehrt, sondern Übersetzungshilfen
anbietet. Als solche fungieren Tastenbilder und Tastensticker, nach denen der Schüler die Töne zuerst
einmal der Tastatur nach erkennt, wobei so ganz allmählich die abstrakte Notenschrift durch Anschauung
begreifbar wird. Zusätzlich gibt die beigefügte CD, auf der alle Stücke solo und einige auch voll
arrangiert eingespielt sind, eine gute akustische Lernhilfe. Im Songteil tummelt sich alles von den Beatles über
Elton John bis zum Entertainer, leicht gesetzt und mit guten Spielanweisungen versehen; ein Theorieteil fasst am
Ende noch einmal alles systematisch zusammen.
Schwierigkeitsgrad: für Anfänger geeignet, sehr leicht
Manfred Schmitz: Erste Klavierstücke für Florian, AMA Verlag, AMA 610270
Der Aspekt des Spielerischen wird hier besonders betont: Manfred Schmitz möchte die Kinder zum Spiel
mit Tönen anregen. Deshalb sind seine 19 kleinen Stückchen auch nur an bekannten Kinderliedern angelehnt,
spinnen aber die eingängigen Melodien weiter und können von den Spielenden nach Belieben verändert
und ergänzt werden. Zum Beispiel können im Kuckuckskindergarten eigene Kuckuck-Rufer
eingefügt werden und in Alle meine Entchen noch weitere Entenkinder nach oben oder
nach unten schwimmen!
So wird jedes Lied zu einer eigenen kleinen musikalischen Geschichte, die durch die liebevollen Illustrationen
von Peter Muzeniek noch fantasievoll umrahmt wird. Das kleine Bändchen von Manfred Schmitz nimmt leicht, was
manchen Erwachsenen später nur noch schwer fällt: Denn ohne zu wissen, improvisieren und komponieren die
Kinder nach ihren eigenen Ideen und fangen an, sich frei mit und in der Musik zu bewegen. Nur schade, dass die Originallieder
zu den Stücken lediglich zum Singen notiert und nicht fürs Begleiten am Klavier ausgesetzt sind
vielleicht hätte der Autor hier der Freude am Bekannten doch etwas mehr entgegenkommen können; trotzdem
aber ein an Wert nicht zu unterschätzendes kleines Werk.
Schwierigkeitsgrad: sehr leicht bis leicht
Elisabeth H. Brunsch: Kinderlieder-Kiste für Klavier, Bosworth Edition, BoE 7057
Ganz anders verhält es sich mit Elisabeth H. Brunschs Kinderlieder-Kiste: Hier soll man gerade im Altbekannten
stöbern und Liebgewonnenes wiederentdecken. Unter dem Deckel der Liederkiste verbirgt sich ein wahres Kompendium
an Scherzliedern, Volksliedern, Traditionals bis zu Songs aus der Kinder-Hitparade und TV-Ohrwürmern.
Die Lieder sind so raffiniert gesetzt, dass sie trotz der leichten Spielbarkeit überraschend volltönig
und mitreißend klingen, ob es sich nun um den munter tanzenden Bi-Ba-Butzemann, das choralartige
Spiritual Kumbayah oder um den freundlich dudelnden Pippi-Langstrumpf-Song handelt jedes Stück
ist fein charakterisiert und lädt ein, aus voller Kehle und aus vollem Herzen mitzusingen; ganz nach dem Motto
von Elisabeth Helene Brunsch:
Was man schon im Ohr hat, gelingt dann leichter auf den Tasten. Dass das funktioniert und obendrein
auch noch einen Mordsspaß macht, zeigt die Kinderlieder-Kiste etwas für große und kleine
Leute, für gesellige Abende und zum Herum-Schmökern.
Schwierigkeitsgrad: leicht bis mittelschwer
Chris Nortons Big Beats Smooth Groove (mit Play-along-CD), Boosey und Hawkes, BH 01-2691
Chris Norton beschreitet neue Wege und setzt auf das unmittelbare Klangerlebnis. Seine Klavierkompositionen entfalten
ihren eigentümlichen Reiz erst im Zusammenspiel mit der Band, die sich dem Klavier von der Begleit-CD
zugesellt. Ein wenig kennt man das ja schon aus den Zeiten, als Music-Minus-One in Mode war und jeder vor der heimischen
Stereoanlage zum Solisten avancierte. Aber von wegen Solist! Hier findet sich der Klavierspieler wieder als Teil
eines sehr sensibel abgestimmten Arrangements, in das er sich einpassen, wo er mitspielen, sich mitreißen
lassen oder einfach nur zuhören kann.
Zu diesem Zwecke sind alle Nummern noch einmal vollständig (Klavier und Begleitung) eingespielt. Möglich,
dass sich der eine oder andere in Nortons Musik erst einmal einhören muss, arbeitet er doch mit zum Teil extremen
Musikstilen und spielt mit ungewöhnlichen Effekten: mal lyrisch und meditativ, mal schräg und rockig lockt
er den Klavierspieler aus der Reserve und in die akustische Herausforderung. Insgesamt ist Smooth Groove
Pop-Piano vom Feinsten und eben mit einem Wort easy.
Schwierigkeitsgrad: mittelschwer
Ob Hören, Sehen, Erzählen oder Träumen, Klavierspielen kann zum vollblütigen Erleben werden
und zwar mit allen Sinnen. Und wenn Sie Ihrem Kind die Möglichkeit geben, Musik als eigene Sprache zu
entdecken, machen Sie ihm meiner Meinung nach ein ganz besonderes Geschenk.
Gita Magadum
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