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Wolfgang Sandner: Miles Davis. Eine Biografie, Rowohlt Verlag, Berlin 2010, 299 Seiten, 19,95 Euro „Etwas faszinierend Unnahbares ging von den fünf Musikern aus, die so stoisch aneinander vorbeispielten, und ich fragte mich, was Miles Davis mir mit seiner Trompetenzunge sagen wollte.“ Mit diesem persönlichen Bekenntnis als junger Konzertbesucher beginnt Wolfgang Sandner seine Biografie der 1991 verstorbenen Jazz-Größe. Ein halbes Jahrhundert später erst hat der ehemalige Musikredakteur der FAZ verstanden, dass Miles Davis „stets neue Botschaften ausgesandt hat, nie stehen blieb“. So ist die persönliche Erfahrung mit dem „unruhigsten Geist des Jazz“ Ausgangspunkt einer neuen Biografie. Nicht die erste zwar, doch unterscheidet sie sich angenehm von den anderen. Die wechselnden Botschaften des Künstlers bringt Sandner auf den Punkt. In nüchternem, schnörkellosen Ton schildert er den Weg des Miles Davis, der aus bürgerlich-behüteter Familie früh nach New York aufbricht, um dort an der renommierten Juilliard School zu studieren – und um Charlie Parker zu finden, sein großes Idol. An der Seite des Bebop-Barden startet der Trompeter, unter dem ersten Einfluss von Clark Terry, seine spannende Karriere. Nach zögerlichen Bebop-Erkundungen begründet Miles Davis den Cool Jazz, ist dann maßgeblich an der Entwicklung des Hard Bop beteiligt, führt 1959 die modale Improvisation in den Jazz ein, erfindet die Fusion-Music, um schließlich mit Rappern gemeinsame Sache zu machen. So richtig glatt verlief diese Karriere freilich nie, wie der Autor betont. Die zahlreichen Wandlungen des Trompeters vom Bebop-Revoluzzer und Pionier des Cool zum elektrischen Tüftler der späten Jahre gehen nicht ohne Brüche ab. Sie entsprechen, so Sandner, „zwischen lyrisch-introvertierter Kunst und schrillem Bad-Boy-Gehabe“ ganz der Persönlichkeit des Meisters. Die war nicht immer ohne. Wolfgang Sandner zeichnet auch das Bild eines Mannes, der von Drogen und Krankheiten zerfressen wird. Er zitiert die Autobiografie, wo Miles von Drogenexzessen, Frauengeschichten und musikalischen Visionen erzählt, dass den gemeinen Leser das Grausen befällt. Doch mit Hilfe von Frauen findet „der einzige Pop-Star des Jazz“ immer wieder zum Leben zurück. Obwohl Wolfgang Sandner eine herkömmliche Biografie liefert, ist sie nie von vielerlei Fakten beherrscht. Unter steter Gewärtigung atmosphärischer Stimmungen und Gefühle gelingt eine Annäherung an die Musik meisterlich. Der Autor gibt sich nicht nur versiert und kenntnisreich, sondern auch analytisch und bildhaft. Er scheut nie den persönlichen Blick, interpretiert und bezieht stets den musikalischen und gesellschaftlichen Kontext mit ein. Reflektiert werden auch knapp ästhetische Debatten, die mit der Person von Miles Davis verknüpft sind. Wie zum Beispiel die, wie er den Jazz vom tiefen Entertainment zur hohen Kunst erhob. Wohltuend, wenn gelegentlich leise Zweifel den Autor befallen und er den famosen Musiker nicht als Auslöser neuer Musikformen betrachtet, „wohl aber (als) ihr Katalysator“. Doch das schadet der packenden Biografie, die mit Diskografie und kleiner Bibliografie schließt, nicht. Sie vermittelt auch Jazzkennern neue Einsichten. Reiner Kobe |
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