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Die Quirligkeit des Bebop und die Meditativität des Ostens, sie
scheinen nur ein Widerspruch. Die Jazzgeschichte lehrt: es waren ausgerechnet
Bopper, Vertreter einer recht unmeditativen, rastlos-großstädtischen
Musik, heute über 70-, 80-jährige Bläser wie Yusef Lateef,
John Handy, Tony Scott und eben Charlie Mariano, die nicht nur als erste
im Jazz eine geistige und musikalische Nähe zu Asien empfanden,
sondern noch im frühen 21. Jahrhundert zu den überzeugendsten
Vertretern dessen gehörten, was Joachim-Ernst Berendt in den 60er-Jahren „Weltmusik“ taufte. Im Laufe seines 85-jährigen Lebens machte er in einer Spanne von über
60 Jahren über 300 Jazzplattenaufnahmen: Was er in den ersten 20
Jahren seiner Laufbahn spielte, lässt sich ja noch in Schubladen
stecken: Bebop, West Coast Jazz, Bigband Jazz, modaler Jazz. Von da ausgehend
wuchs er immer mehr zum grenzüberschreitenden Solisten. Jazz, das
hieß bei dem Italoamerikaner, der in den 50er-Jahren zu den wichtigsten
Beboppern der Bostoner Szene gehörte, seit etwa 40 Jahren meist „Jazz
und…“: Jazz und Tango, Jazz und arabische Musik, Jazz und
Rock, vor allem aber immer wieder, Jazz und indische Musik. Die bewegende Ausdrucksintensität des großen Saxophonisten Charlie Mariano, der so lange als Wahlkölner auch unsere deutsche Jazz-Szene bereicherte, können wir seit Juni 2009 nur noch auf Tonträgern erleben. Es gibt wenige Musiker, die noch so präsent sind, nicht nur in unserer Erinnerung, sondern zum Glück auch in Form von neuen Alben, die seit seinem Tod immerfort erscheinen und schlicht überragend sind, sei es „The Great Jazz Concert“ mit Philip Catherine und Jasper van’t Hof Live-Schwanengesang, der bewegende, auf Enja erschienene Schwanengesang oder „Good Times“, ein vom Preis der Deutschen Schallplattenkritik auf die Bestenliste gesetztes, von Nagel Heyer veröffentlichtes Album, das er noch als Gast des Martin Sasse Trios eingespielt hat. Selbst eine packende LP, die aus intensiven Zwiesprachen mit seinem langjährigen Basspartner Dieter Ilg besteht, wurde posthum unlängst vom kleinen, feinen audiophilen Label Sommelier du Son auf Vinyl gepresst: „Goodbye Pork Pie Hat“. Jedes dieser Alben ist ein reiches Geschenk. Hat man sie gerade erst gehört, sucht man vergeblich nach etwas anderem, was man danach noch hören mag. Nichts ist dann für eine gewisse Zeit eine gute Entscheidung, denn seine Musik ist dergestalt, dass man von ihrer Nachwirkung lange zehren kann. Marcus A. Woelfle |
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