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Jazzzeitung

2011/02 ::: seite 6

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Inhalt 2011/02

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Jazzlexikon: Charlie Mariano Farewell: George Shearing


TITEL - Basar der Perspektiven
Über den Jazz in der arabischen Welt

DOSSIER Im Osten viel Neues
Die Pianisten Djangirov, Hamasyan und Neselovskyi


Berichte

Lisa Bassenge entdeckt ihre Muttersprache // Bujazzo: Frühjahr-Arbeitsphase // Das Festival Women in Jazz // Armin Mueller-Stahl veröffentlicht mit 80 Jahren sein Debüt-Album


Portraits

Brigitte Angerhausen // Nguyên Lê // Vokalquartett „Niniwe“ // Magnus Öström // Klaus Treuheit // Neuer Deutscher Jazzpreis 2011 // Neue CDs von Acoustic Music


Jazz heute und Education
Jazz e.V. Dachau ist umgezogen // Zwölf CDs mit Schätzen der „Free Music Production“ // jazzahead! 2011: ein Interview mit Ulrich Beckerhoff // Südtirol Jazzfestival 2011 // Jazz-Workshop für Studenten und Amateure im Münchner Gasteig // Abgehört: Zum 85. Geburtstag von Miles Davis
Miles Davis’ Solo über „Sweet Pea“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Ikonen einer Ära

Nguyên Lê und die „Songs Of Freedom“

Asien, Europa und die USA sind die Kulturachsen, auf denen Nguyên Lê, stilvariabler Gitarrist vietnamesischer Herkunft mit Wohnsitz in Paris, sich bewegt. Ressourcen für sein Jazz-Vehikel findet er unterwegs, wenn er sich en passant Repertoire widmet, das ihm wahlverwandt erscheint. Für sein aktuelles Album hat er Pophits aus den 1970er-Jahren für seine Band nach eigenem Gusto re-komponiert. Im Gespräch erläutert Nguyên Lê seine Intentionen bei diesem Projekt.

Nguyên Lê. Foto: Rolf Kissling/ACT

Bild vergrößernNguyên Lê. Foto: Rolf Kissling/ACT

JazzZeitung: Nach welchen Kriterien haben Sie die „Songs Of Freedom” ausgewählt?
Nguyên Lê: Ziemlich spät, ich war etwa zwölf Jahre alt, als ich Interesse für Musik entwickelte. Vorher hatte ich keine Sensibilität dafür, sondern habe gemalt und gezeichnet. Diese Songs sind also gewissermaßen Ikonen, weil sie meine Hinwendung zur Musik bewirkt haben. Doch sie transportieren auch generell dieses Gefühl von Anderssein aus Hippie-Attitüden und Anti-Vietnam-Krieg-Engagement und symbolisieren so diese Ära des Protestes.

JazzZeitung: War auch ein Kriterium, dass Sie diese Songs für Ihr eigenes musikästhetisches System adaptieren konnten?
: Natürlich. Ich habe mir viel von diesem Repertoire angehört, auch von Deep Purple oder The Who, deren Stil mir gefällt, aber nicht zu meinem Konzept passte.

JazzZeitung: Warum hat die Band diese sehr spezielle Besetzung?
: Linley Marthe (Bass) und Stéphane Galland (Drums) waren bereits bei meiner Hendrix-Retrospektive dabei, garantieren somit eine stilistische Kontinuität. Deshalb hatte ich schon eine Ahnung, wie sich der Groove entwickeln konnte. Was beim Hendrix-Projekt wegen einer Priorität beim Interplay noch relativ einfach arrangiert war, wollte ich fürs Freedom-Album komplexer durch genauer festgelegte Harmonie-Progressionen gestalten. Darum dachte ich zunächst an ein Keyboard, aber das erschien mir nicht optimal. So kam ich darauf, dass ein Vibraphon hervorragend zu meinen Arrangements passen könnte. Abgesehen davon ist Illya Amar der Sohn meiner Ehefrau, und so haben wir eine angenehme Familienangelegenheit, weil ich ihn kenne, seit er drei Jahre alt ist, und ihn zum Musiker heranwachsen sah.

JazzZeitung: Gab es darüber hinaus, wegen der Integration des Vibraphons Einflüsse von Frank Zappa, etwa bei „In A Gadda Da Vida”?
: Ja, „In A Gadda Da Vida” machte mir schon als Kind viel Freude. Eine Melodie mit inhärenten orientalischen Timbres, die ich aus dem psychedelischen Klangfilter der 70er-Jahre geholt und, auch im Stil von Frank Zappa, rhythmisch deutlicher justiert habe.

JazzZeitung: Die Originale haben Sie offenbar durch Dehnung oder Beschleunigung verändert.
: Gerade „Pastime Paradise” von Stevie Wonder wurde deswegen eine ziemlich lange Version. Ich begann mit der Melodie, verlangsamte sie und habe eigene Akkordfolgen implantiert. Das ist meine bevorzugte Methode. So wurde der Klang mystisch. Dann wird „Pastime Paradise” schneller und wendet sich am Ende zu arabischen Idiomen aus Marokko.

JazzZeitung: Ist ein anderer Aspekt, die Musik mit pentatonischen Elementen zu erweitern?
: Seit ich Musik aus Vietnam reflektiere, versuche ich, Pentatonik in bestimmte Arrangements zu übernehmen. Da braucht man eine gute Balance für den Fluss pentatonischer Linien, wenn man sie re-harmonisieren will. So eröffnen sich differenzierte Möglichkeiten, weil Pentatonik weniger Noten braucht, sodass man mehr fremde Noten ergänzen kann. Dadurch kann ich die Originalsongs kulturell adaptieren.

JazzZeitung: Wie verstehen Sie den Freiheitsbegriff?
: Die erste Bedeutung des Titels, der nicht von mir, sondern von Bob Marley ist, bezieht sich auf die Befreiung von Sklaverei, ein Thema, das man vom Blues aus den USA kennt.
Das ist auch für mein Album relevant, doch zugleich hat es ein universales Konzept, nämlich die Freiheit des Zuhörers im Vergleich zum Künstler. Beide Blickwinkel sind verschieden. Wenn ein Kunstwerk vollendet ist, übergibt der Künstler es dem Publikum, das die Freiheit hat, es so zu interpretieren, wie es möchte.

JazzZeitung: Warum erfahren die „Songs Of Freedom” Ihrer Meinung nach globale Akzeptanz?
: Weil sie so bekannt sind, dass man sie als erste Phänomene der Weltmusik, wie man heute sagt, definiert werden können. Meine Frage ist jetzt, wie versteht die nicht-westliche Welt diese Musik? Und wenn sie außereuropäisch gefüllt wird, wie kann sie anderswo angenommen werden, indem man sie in dieser Perspektive spielt?
Die Musik meines Albums ist nur eine Möglichkeit der Re-Interpretation von einem anderen Standpunkt. Wir leben in einer Welt mit vielen Einflüssen aus allen Kulturregionen. Wenn man daran interessiert ist, den eigenen Horizont kreativ zu erweitern, bietet die Gegenwart ein gigantisches Spektrum, etwas über andere Kulturen zu lernen.

JazzZeitung: Vielen Dank für das Gespräch.

Hans-Dieter Grünefeld

CD-Tipp

Nguyên Lê: Songs Of Freedom
ACT 9506-2 (Edelkultur)

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