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Jazzzeitung

2011/02  ::: seite 18

education

 

Inhalt 2011/02

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Jazzlexikon: Charlie Mariano Farewell: George Shearing


TITEL - Basar der Perspektiven
Über den Jazz in der arabischen Welt

DOSSIER Im Osten viel Neues
Die Pianisten Djangirov, Hamasyan und Neselovskyi


Berichte

Lisa Bassenge entdeckt ihre Muttersprache // Bujazzo: Frühjahr-Arbeitsphase // Das Festival Women in Jazz // Armin Mueller-Stahl veröffentlicht mit 80 Jahren sein Debüt-Album


Portraits

Brigitte Angerhausen // Nguyên Lê // Vokalquartett „Niniwe“ // Magnus Öström // Klaus Treuheit // Neuer Deutscher Jazzpreis 2011 // Neue CDs von Acoustic Music


Jazz heute und Education
Jazz e.V. Dachau ist umgezogen // Zwölf CDs mit Schätzen der „Free Music Production“ // jazzahead! 2011: ein Interview mit Ulrich Beckerhoff // Südtirol Jazzfestival 2011 // Jazz-Workshop für Studenten und Amateure im Münchner Gasteig // Abgehört: Zum 85. Geburtstag von Miles Davis
Miles Davis’ Solo über „Sweet Pea“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Gemischtes Jazz-Triple

Ein Jazz-Workshop für Studenten und Amateure im Münchner Gasteig

Als am 10. November 1985 der wuchtige Backsteinbau des neuen Münchner Kulturzentrums, in dem Stadtbibliothek, Volkshochschule, ein Konservatorium und die Münchner Philharmoniker ein zuhause finden sollten, mit einem Festkonzert des Ensembles eröffnet wurde, hielt sich die Begeisterung der Münchner über den wenig filigranen Monumentalbau am „gachen“ (also steilen) Steig in Grenzen. 25 Jahre später ist die an den Isarauen gestrandete Arche ein belebtes Zentrum für Kunst, Literatur und Musik geworden. In der Jubiläumssaison 2010/11 wird das mit einem speziellen Programm gefeiert, das durch eine Kooperation mit der Hochschule für Musik und Theater München nicht ohne Jazz auskommen muss.

Studenten beim Workshop von Patrice Rushen. Foto: Lichtinger

Bild vergrößernStudenten beim Workshop von Patrice Rushen. Foto: Lichtinger

Seit langem überquere ich wieder einmal das „Celibidache-Forum“. Früher kam ich hier regelmäßig auf dem Weg zu Kursen und Unterrichtsstunden vorbei, während meines Studiums in der Jazzabteilung des Richard-Strauss-Konservatoriums (RSK) – heute Hochschule für Musik und Theater München. Neidisch blicke ich rüber zum „GAST“, dem Design-Gastrotempel auf dem Forum – zu meiner Zeit hieß der noch „Kantine“ und bot vor allem versalzene Suppen und fettige Lasagnen an. Nicht alles war früher besser.

„Jazz Masters München – JAM:M“ hat man die Arbeitsphase genannt, die von der Hochschule zusammen mit der Gasteig München GmbH ausgerichtet wird. Offenbar stehen die Zeichen im Gasteig nicht nur kulinarisch auf Veränderung. Ein Workshop mit internationalen Dozenten wie Randy Brecker, Billy Cobham, der mehrfach für den Grammy nominierten Patrice Rushen, dem Tenoristen Nathan Davis und dem mexikanischen Bassisten Abraham Laboriel ist für eine deutsche Hochschule zwar nicht unbedingt ein Novum, die Münchner Jazzabteilung, die nach der Umstrukturierung durch die Fusion von RSK und Hochschule noch ihren Platz im Gefüge sucht, kann damit aber ein wichtiges Ausrufezeichen setzen.

Die Initiative geht auf Claus Reichstaller zurück. Der Trompeter, dem die Leitung der Jazzabteilung 2008 zunächst kommissarisch anvertraut wurde – seit 2009 dann mit ordentlicher Professur –, hatte zuvor bereits Richie Beirach und Joe Haider nach München eingeladen und nun mit den Dozenten für JAM:M auf eine neue Ebene getragen. Dabei richtet sich der Workshop nicht zwingend an die Studenten aus Reichstallers Abteilung. Vor allem interessierte Laienmusiker mit entsprechender Vorbildung will man in den Gasteig locken. Sie sollen hier die Gelegenheit erhalten, mit internationalen Jazzmusikern auf höchstem Niveau proben zu können. Als ich bei meiner ersten Station, dem Workshop von Trompeten-Ass Randy Brecker, ankomme, ist klar: Es sind gar nicht so viele Amateure gekommen.

Beim Öffnen der schallgeschützten Doppeltüre dröhnt mir Chick Coreas Uptempo-Wahnsinn „Got A Match?“ entgegen. Aha, der Meister zeigt’s den Kids und drückt erst mal ordentlich ab – in bewährter Brecker-Brothers-Manier – schnell, laut, atemberaubend … Randy Brecker allerdings sitzt, die Trompete in die Hüfte gestemmt, entspannt auf einem Stuhl in der Ecke und kaut auf seiner Unterlippe, während er auf dem Leadsheet den Akkorden folgt. Das solistische Inferno zetteln indessen seine Schützlinge an, unverkennbar Studenten in der Endphase ihrer Ausbildung, angetrieben von den blitzschnell über das Griffbrett huschenden Fingern des E-Bass-Dozenten der Hochschule, Patrick Scales. Die ambitionierten Laien finde ich hier nicht. Am Ende wird Brecker die Studenten loben, selber für ein paar Chorusse mit einsteigen und ihnen raten, das Ganze doch lieber etwas langsamer zu versuchen.

Jeder JAM:M-Dozent betreut ein eigenes Ensemble, das dann beim Abschlusskonzert im Carl-Orff-Saal das Erarbeitete präsentieren wird. Ich versuche es gegenüber bei Abraham Laboriel, dem Bass-Dozenten bei JAM:M. Auch hier dröhnt es schon wieder durch die Doppeltüre, nicht so halsbrecherisch, dafür sehr funky. Drinnen springt ein weißhaariges Rumpelstilzchen mit umgeschnalltem Bass im 6/8tel-Takt durch den Raum und ruft einer Bass-Studentin dabei die entscheidenden Schwerpunktverschiebungen zu, die er sich für den Bossa-Standard „Recordame“ ausgedacht hat. Sie nickt verzweifelt und versucht, dem zuckenden Energiebündel zu folgen. Auch die neben ihr sitzenden Gitarristen sind am Jazzinstitut eingeschrieben, Laboriel wechselt beim Erklären mühelos zwischen Bass und Gitarre hin und her und lässt dabei Freund und Feind alt aussehen. Laien wieder Fehlanzeige. Fündig werde ich dann bei Patrice Rushen und Nathan Davis. Bei Davis haben sich eine Pianistin und vier ältere Saxophonisten eingenistet, die durchaus versiert an einer von der Dame am Piano geschriebenen Nummer arbeiten.

Auch Patrice Rushen schreibt schon an den Arrangements für ihre Horn-Section. Die erfahrene Komponistin für Jazzbands und klassische Orchester hat am meisten Mühe mit den unterschiedlichen Voraussetzungen ihrer Teilnehmer, denn das Niveau in ihrem Ensemble spannt sich vom Bigband-Routinier zum Jazz-Neuling, in der Rhythm-Section tummeln sich wieder die Studenten. Ganz im Gegensatz zur Spezialisten-Truppe von Randy Brecker nebenan muss hier intensiv geprobt und gefeilt werden, bis die Einsätze kommen, bis die falschen Töne aus dem Satz verschwunden, bis die Formteile klar sind. Hier zeigt sich dann allerdings der Vorteil dieser Melange aus Routine und Unerfahrenheit. Ob gewollt, oder weil man die ein oder andere Lücke zu stopfen hatte, das Zusammenspannen von professionellen, semiprofessionellen und Amateurspielern funktioniert in den Workshops erstaunlich gut und trägt vor allem die weniger Versierten unter der Anleitung der Dozenten auf ein spielerisches Niveau, das überrascht. Die Studenten ihrerseits können von den „Langsamen“ in der Truppe viel über Didaktik und Ensemblepädagogik lernen, ein Bereich, der gerade bei Jazzstudiengängen nicht überrepräsentiert ist im Fächerkanon der Hochschulen.

So sind es beim Abschlusskonzert zwar die Studentencombos, die durch ihre technische und musikalische Ausgereiftheit verblüffen, doch wenn man den Weg der Amateurensembles während des Workshops nachgezeichnet hat, kann man nur den Hut ziehen vor dem, was die dort in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt haben. Sollte der JAM:M-Workshop eine Fortsetzung erleben, muss man diese Kombi aus Studenten und Amateuren unbedingt beibehalten.

Randy Breckers Studenten haben übrigens nicht auf des Meisters Rat gehört. Beim Konzert spielen sie „Got A Match?“ noch schneller als in der Probe und jagen ihre Soli mit solch einem Affenzahn durch den Carl-Orff-Saal, dass ich meine Mütze festhalten muss. Schön!

Jörg Lichtinger

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