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Den Feingeist Thomas Mann im Breloer-Mehrteiler „Die Manns“ verkörperte er ebenso überzeugend wie einen zwielichtigen Mafia-Boss in „Tödliche Versprechen“. Neben der Schauspielerei hat Armin Mueller-Stahl jedoch zeitlebens Ausflüge in andere musische Gefilde unternommen. Er malt, fiedelt auf der Geige und traktierte als New Yorker Taxi-Chauffeur in „Night on Earth“ sogar zwei Blockflöten auf einmal.
Vor 40 Jahren, als er noch in der DDR lebte, hat Mueller-Stahl Chansons geschrieben. Damals war er Mitglied in der Band von Günther Fischer, dem großen DDR-Jazzer, der mit seinen Filmkompositionen – für „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ oder „Solo Sunny“ – berühmt wurde. Noch vor kurzem hielt Mueller-Stahl seine DDR-Lieder für „Schnee von gestern“. Erst seine Frau überzeugte ihn davon, dass sie nach wie vor auf die Bühne gehörten. Und so nahm der Schauspieler Kontakt mit Fischer auf. Der kramte die vergilbten Notenblätter mit der Klavierbegleitung hervor. Und Mueller-Stahl fielen Takt für Takt die alten Melodien wieder ein, die er jahrzehntelang im Kopf aufbewahrt hatte. Mit diesen Liedern bestreitet der 80-Jährige nun sein Platten-Debüt und einige wenige Live-Auftritte. In Berlin gastierte er Mitte Februar im bis unters Dach ausverkauften Berliner Admiralspalast. Es gibt wohl kaum einen besseren Weg als die Kunst, um jene merkwürdige Geisteswelt hinter der Mauer in die Gegenwärtigkeit zu rufen. Eine Welt, in der Poesie zum Alltag gehörte, gerade weil sie als Möglichkeit der Weltflucht diente. Von solcher Art Poesie sind die Chansons Mueller-Stahls: kleine poetische Perlen, welche die Schönheit der Natur oder der angebeteten Frau schildern, aber auch die Ängste und Hoffnungen im DDR-Alltag. In „Nun wart ich jede Stunde“ geht es um die Trauer über die Trennung von einer in den Westen ausgereisten Freundin. Und nach der Ausweisung des Liedermachers Wolf Biermann hätte sich Mueller-Stahl, der es selbst bis 1980 in Ost-Berlin aushielt, „am liebsten die Menschen abgewöhnt“, wie es im Titelsong der Platte heißt. Die Lieder erinnern daran, wie gewitzt kritische DDR-Künstler im Erfinden von Metaphern und Gleichnissen waren. Wenn Mueller-Stahl von der Pflaume an der Spitze des Apfelbaums sang, war Walter Ulbricht gemeint. Und jene Hüte, die neue Köpfe fordern, waren natürlich die unzufriedenen DDR-Bürger. Manche Texte schafften es dank solcher Verschlüsselung durch die Zensur; andere wurden verboten. Für Mueller-Stahl hat der zeitliche Abstand inzwischen alle Bitterkeit
getilgt. In „Marie hat eine Nase“ gewinnt er sogar dem heiklen
Thema Stasi humorvolle Züge ab. Und auch die schwerelos anmutenden
Neu-Arrangements von Günther Fischer tragen zur heiteren, altersmilden
Atmosphäre des Abends bei. Das Trio bezaubert durch seine einfühlsame Auslegung der Texte und originelle Tonmalereien. Da hüpfen und springen die Akkorde in „Die Spinne und der Floh“; und zu feschen punktierten Rhythmen tänzelt „Die blaue Kuh“ glücklich über die Weide. In ausgedehnten Vor- und Nachspielen spüren die Musiker den Stimmungen der Texte nach. Auf jeden überflüssigen Ton, jedes unnötige Wort wird hier verzichtet. Heute sei Musik meist „laut und elektrisch“, stellt Mueller-Stahl am Ende seines Auftritts fest. Er hingegen wolle „mit diesem sensiblen Abend gegen den Zeitgeist anspielen“. Die letzten Takte gehören dann Günther Fischer und seiner berühmtesten Melodie, dem Titelsong aus dem Defa-Film „Solo Sunny“. Antje Rößler CD & Bonus-DVD
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