Das diesjährige Südtirol Jazzfestival Alto Adige findet vom
24. Juni bis 3. Juli statt. Die Jazzzeitung sprach aus diesem Anlass
mit dem künstlerischen Leiter Klaus Widmann.
JazzZeitung: Was macht das Konzept des Südtirol Jazzfestivals aus?
Klaus Widmann: Die Vielfältigkeit. Musik aus verschiedenen Ländern
und Kontinenten; Neues, Unbekanntes, wenig Bekanntes, junge Leute, Auftragswerke
und neue Formationen, die oftmals nur für das Festival entstehen.
Außerdem will ich den lokalen Musikern die Möglichkeit geben,
Projekte zu gestalten.
JazzZeitung: Welche Kompositionsprojekte gibt
es diesen Sommer?
Widmann: Der Luxemburgische Vibraphonist Pascal Schumacher
und der Geiger Nicolas Dautricourt spielen ein Konzert bei Luis Lageder,
dem Chef der
weltbekannten Kellerei. Das Auftragswerk soll in einem Zusammenhang mit
Lageders Produkten stehen. Schumacher hat Ende März die Kellerei
besucht und kennengelernt, um sich inspirieren zu lassen. Ein „transalpiner“ Kompositionsauftrag
geht an Matthias Schriefl und Livio Minafra: Sie schreiben Kompositionen
für ein Quartett bestehend aus zwei jungen deutschen und zwei jungen
italienischen Musikern.
Günther Pitscheider, der viel mit Peter Kowald in der Wuppertaler
Szene gespielt hat, macht ein Projekt in unserem Auftrag mit Michele
Rabbia, Gianni Gebbia und der türkischen Sängerin Saadet Türköz.
JazzZeitung: Welche Rolle spielt Open Air?
Widmann: Eine große! Denn die Freiluftatmosphäre, die Festivalatmosphäre,
die gehören einfach in eine Region wie Südtirol. Wir kehren
dieses Jahr zurück zum Schloss Sigmundskron: Das Eröffnungskonzert
mit „Voices from the World“ wird dort stattfinden. An einem
zweiten Abend spielt das Claus Reichstaller Quartett mit einem Streichquartett
von der Münchner Philharmonie und einer lokalen Sängergruppe
namens Ganes. Das sind drei Mädels, die unter anderem als Chorsängerinnen
mit Hubert von Goisern arbeiten.
Am letzten Festivalwochenende finden wieder Open-Air-Konzerte vor dem
Museion statt. Das Museion ist der „Kulturtempel“ für
das Alto Adige und zieht auch ein entsprechendes Publikum an – insofern
ist es besonders schön, dass am Freitag unser Konzert mit einer
Ausstellungseröffnung kombiniert wird und das Museum bis Mitternacht
geöffnet bleibt.
JazzZeitung: Wer sind neben dir die Akteure?
Widmann: Das Festival ist in den vergangenen Jahren
stärker angenommen
worden, von der Bevölkerung, aber auch von den Institutionen. Es
melden sich immer mehr Gemeindevertreter und Tourismusverbände,
die mitmachen möchten. Es kommen immer mehr Austragungsorte hinzu,
zum Beispiel ist Meran und Umgebung schon beinahe ein eigenes Festival
im Festival geworden. Ähnliches lässt sich auch für Brixen,
Bruneck und das Vinschgau konstatieren.
JazzZeitung: Trägt sich das Festival?
Widmann: Ja, wenn der Tourismus mitmacht. Die Zeiten
werden nicht leichter, das Festival wächst, auch vom Budget, da viele neue Partner dazukommen.
Die öffentliche Hand wird stärker involviert: Das Festival
muss auch als Wirtschaftsfaktor wahrgenommen werden: So geben wir der
Kulturabteilung, aber auch der Wirtschaftsabteilung des Landes Südtirol
ein Argument an die Hand, uns tatkräftig zu unterstützen.
JazzZeitung: Ich sehe im Programm Namen wie
Claus Reichstaller und das Hochschuljazzorchester München oder das Jazzorchester Regensburg.
Wie hast du diese Bands „entdeckt“?
Widmann: Diese Konzerte haben sich aus unserem Grundkonzept
der Vernetzung ergeben: Zum Beispiel ist Brixen die Partnerstadt von
Regensburg, und
zur Münchner Szene, wie der „Unterfahrt“ oder der Musikhochschule,
haben wir über die Jahre sehr gute Kontakte aufgebaut.
JazzZeitung: Du verstehst dich nicht nur als
Festivalmacher, sondern auch als Talentscout. Wie gehst du vor?
Widmann: Ich würde gerne viel mehr reisen und alles live anschauen.
Internet und Youtube sind aber heute unverzichtbar. Ich höre tatsächlich
auch in alle zugesandten CDs kurz hinein und lese die Tausenden von E-Mails.
Ich habe meine Talentscouts aber auch oft unter den jungen Musikern selber,
die bei uns spielen: Finnen, Deutsche, Italiener und viele mehr.
JazzZeitung: Kannst du ein paar Beispiele für Junges und Neues nennen?
Widmann: Dieses Jahr haben wir zum ersten Mal einen
Artist in residence: den Trompeter Matthias Schriefl. Er symbolisiert
in seiner Person viel,
was bei uns ist: Die Tradition, aus der er kommt, dem kleinen Alpenort,
in seinem Fall im Allgäu. Gleichzeitig das Herausbrechen aus den
engen Grenzen, der Aufbruch ins Zeitgenössische, aber alles befeuert
von der Tradition. Schriefl und andere junge deutsche Gruppen stehen
auch für die Brückenfunktion des Festivals. Für die Italiener
ist es toll, über die Alpen zu blicken, etwa in Konzerten mit Schneeweiss
und Rosenrot oder Threefall, die 2008 bei den Leverkusener Jazztagen
den Nachwuchspreis erspielten.
Auch unsere deutschen Besucher profitieren von unserer Brückenfunktion,
zum Beispiel wenn sie hier Livio Minafra oder Domenico Caliri kennenlernen.
JazzZeitung: Bozen ist eine Musikstadt. Welche
Zusammenarbeit habt ihr mit dem Konservatorium oder der Musikschule Vivaldi?
Widmann: Während des Festivals arbeiten wir mit einem italienischen
Filmclub zusammen. Jason Lindner komponiert die Musik zu einem Stummfilm,
die von Studenten und Schülern des Konservatoriums und der Musikschule
Vivaldi aufgeführt wird.
Übrigens: Ende April sind immer die Bozner Filmtage. Da machen wir am
17. April einen Tag mit Film und Musik. Es werden vier deutsche Kurzfilme
präsentiert, zu denen Matthias Schriefl die Musik macht.
JazzZeitung: Eine besonders reizvolle Location ist das kleine Amphitheater
beim Weinlabyrinth am Kränzelhof. Wer bestreitet das diesjährige
Morgenkonzert zum Sonnenaufgang?
Widmann: Die Thereminspielerin Pamelia Kurstin. Interessant unter dem
Aspekt der Synergien: Der Kränzelhof macht 2011 erstmals ein eigenes
Kunst- und Literaturfestival, das wir wiederum mit Musik bestücken.
JazzZeitung: Ein Festival, das ausstrahlt!
Widmann: Ja. Dieses Jahr findet auch wieder eine Tagung
der Eurac statt zum Thema Kulturförderung. Im Rahmen der Tagung spielen Donkey Monkey,
ein Duo der französischen Pianistin Eve Risser und der japanischen
Perkussionistin Yuko Oshima.
Nähere Informationen unter www.suedtiroljazzfestival.com
Die Künstler 2011
Ernst Reijseger-Harmen Fraanje-Mola Sylla
Cuncordu e Tenore de Orosei
Edmar Castaneda-Andrea Tierra Duo feat. Dana Leong
Jason Lindner-Marina M. Blumin
Picidae
Jason Lindner-Dana Leong
Edmar Castaneda-Hamilton De Holanda
Francesco Diodati Quartet
Top Dog Brass Band
Jazz Orchester Regensburg
Jamie Baum Septet
Cyro Baptista & Banquet of the Spirits
Duo Fanfarov
Günther Pitscheider-Michele Rabbia- Gianni Gebbia-Saadet Türköz
Uni Big Band Regensburg
Claus Reichstaller Jazz Quartet feat. Ganes
Sarah Jane Morris
Three Fall
Youn Sun Nah & Ulf Wakenius Duo
Veronica & The Red Wine Serenaders
Schneeweiss & Rosenrot
6, Alps & Jazz
Donkey Monkey
Ingrid Lukas
Albatrosh
Common Creature
Uni Big Band München
Pascal Schumacher Quartet
Manuel Randi-Max Castlunger
Maurizio Brunod Trio
Mathias Schriefl-Livio Minafra-Bodek Janke-Domenico Caliri
Dana Leong
Pascal Schumacher-Nicolas
Dautricourt
Reut Regev
Francesco Bearzatti „Tinissima Quartet”-Malcolm X
Michel Portal-Bojan Z-Jeff Ballard-Larry Grenadier-Mark Turner
Pamelia Kurstin
Manuel Randi
Terence Blanchard
Nicole Jo & Malcolm Braff
|