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„Es hat für mich eine große Hürde bedeutet“, legt Pianistin Brigitte Angerhausen ein Stück ihrer Seele offen, „diese unsichtbare Schallgrenze zu überwinden“. Diese innere Schranke kennt eine physische, materielle Entsprechung. Bei der nahe Köln lebenden Musikerin ist es die Glasscheibe des Tonstudios, über die sie mit dem jeweiligen Gegenüber verbunden ist. Vor wenigen Jahren hat Angerhausen wieder (öffentlich) zu spielen begonnen. Über 20 Jahre lang war sie ausnehmend als Tonmeisterin und Produzentin für andere Musiker erfolgreich tätig. Sie war an zahlreichen Aufnahmen und Cd-Produktionen nationaler und internationaler Tonkünstler beteiligt oder produzierte diese selbst. Darunter so schillernde Namen wie die Sängerinnen Nelly Furtado und Nina Hagen (mit: Om Namah Shivay), der britische Dire-Straits-Gitarrist Mark Knopfler, die Jazzer Paul Kuhn und Michael Riessler, Tabea Zimmermann und Hilary Hahn aus der Klassik, der Kabarettist Hans-Dieter Hüsch, BAP (Aff un zo) und vom WDR Sinfonieorchester und Big Band. Auch eine populäre russische Punkrockband und der Schweizer Sänger Michael von der Heide gehören zum Kundenkreis Angerhausens. Nur „Heavy Metal und Schlager habe ich komplett ausgegrenzt“, verrät die Tonmeisterin. Bei einigen Schlagerproduktionen, an denen sie früh in ihrer Karriere beteiligt war, habe sie gespürt, dass „deren Motivation Musik zu machen sich sehr von meiner eigenen unterscheidet“. Dagegen hatte sie in den letzten Jahren „das Glück, mit lauter tollen Leuten zu arbeiten“. Wichtig war – und ist – für sie, mit ihrer kreativen Arbeit als Tonmeisterin der „Musik zu dienen und die Musiker über einen intensiven Dialog“ dahin zu führen, „wo die Musik hin will“. Diese Form der Zusammenarbeit und Auseinandersetzung, „es gibt immer auch Reibungspunkte in einem spannenden, kreativen Prozess“, empfinde sie als „großes Geschenk“. „Extrem gut“ gelinge das mit dem Klarinettisten Michael Riessler, „ein Superkomponist mit großem Klangvorstellungsvermögen“, lässt die sonst eher zurückhaltende 44-Jährige ihrer Begeisterung freien Lauf. Mit Riessler und dem Regensburger Vokalensemble Singer Pur hat sie auch Madrigale und Choräle der Renaissance in der österreichischen Propstei St. Gerold für das Act-Label produziert, durchdrungen von Improvisationen und Collagen Riesslers und des französischen Cellisten Vincent Courtois. „Ein tolles Erlebnis. Wir haben so viel gelacht, weil einer der Sänger derart witzig war und herrliche Karikaturen zeichnen konnte …“ Der Wiedereinstieg als Pianistin ins aktive Musikerleben erscheint rückblickend „als schleichender Prozess“. Sie habe damals „wahnsinnig viel gearbeitet. Zehn, zwölf, bis zu vierzehn Stunden und das sechs Tage am Stück.“ Irgendwann sei ihr aber klar geworden: „Das halte ich so nicht durch, wenn da kein Gegengewicht ist.“ Das stellte sich ihr als glänzender Konzertflügel in den Weg: „Wenn ich alleine hinter dem Klavier sitze, tut mir das unglaublich gut.“ Hier könne sie alles aufgeben, müsse nicht mehr dauernd reden und könne „trotzdem von mir etwas umsetzen“. Das war zunächst eine Trioproduktion, „Im Fluss der Zeit“, mit der Saxophonistin Anne Kaftan und Ulrike Zavelberg am Cello. Das Trio „El Puente“ (Die Brücke) erwuchs aus einer zufälligen Begegnung Angerhausens mit Kaftan und verbindet Lateinamerikanisches mit Klassik, Jazz, Avantgarde und Weltmusik in einer Freiheit der Improvisation, die über den Jazz hinausweist. Nach diesem Schritt in 2003, verspürte sie irgendwann auch „Lust eine Band zu haben, wo es musikalisch etwas heißer hergeht“. Mit Gunther (cello) und Markus Tiedemann (g), André Nendza am Bass, Christoph Hillmann (dr) und dem kongenialen Saxophonisten Frank Sackenheim (ss, ts, b-cl) hat sie die richtigen Partner gefunden, um ihre eigenen Kompositionen ins rechte Licht zu setzen, respektive die ihnen innewohnende Kraft zum Ausdruck zu bringen. Zwischen Traumverlorenheit und verspielter Leichtigkeit erzielen ihre Stücke durch blütenzart-starke Arrangements und berührende Melodien eine intensive Klangatmosphäre, die sich beim Zuhören zu intensiven Bildern zusammensetzen kann. „Beyond The Border“ nennt sie folgerichtig ihr Debüt-Album, überwindet sie doch damit in mehrfacher Hinsicht Grenzen. „Eine bewusste Lebensentscheidung“ sei es gewesen, den Control Room der Produzentin, der immer auch eine Art „Schutzraum gewesen ist, zu verlassen, Kontrolle abzugeben und auf die andere Seite“ zu wechseln. „Es war einfach wunderbar die Freiheit zu spüren, mit den eigenen Händen die Unmittelbarkeit des akustischen Instruments zu erforschen“, gerät Angerhausen beinahe ins Schwärmen. Kein digitales Herangehen sei in der Lage, derart differenziert und nuanciert den Farbenreichtum und die dynamische Vielfalt des Spiels auf dem Klavier hervorzuzaubern. Bereits mit vier Jahren hat Angerhausen zu Hause klassischen Klavierunterricht bekommen und noch regelmäßig geübt, als sie 1985 bereits ihr Toningenieurstudium am Columbia College in Chicago (USA) begonnen hatte. Danach arbeitete sie in Deutschland und Spanien, bevor sie sich 1991 als freie Produzentin selbständig machte und in vielen renommierten Studios an den Reglern saß. In diesem Jahr will Angerhausen mit ihrer Band auch auf Tour gehen, um das eindrucksvolle Album vorzustellen. Einfach wird das sicher nicht. Soviel hat die geschmacksichere, feinste Nuancen auskostende Pianistin bei Kontakten mit Veranstaltern schon erfahren. Ins Bockshorn lässt sich die zielstrebige Künstlerin auf der Suche nach Lebensqualität und neuen Erfahrungen davon allerdings keinesfalls jagen. Eher fühlt sie sich angespornt – das wird sicher viele Fans freuen. Michael Scheiner |
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