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Jazzzeitung
2011/02 ::: seite 15
rezensionen
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Duke Ellington
Such Sweet Thunder
(LP; Pure Pleasure Records)
Da die Langspielplatte unter Jazzfreunden historischer Aufnahmen in
der Beliebtheit wieder steigt, sollen fortan in „Neues von gestern“ auch
Neuheiten unter den LP-Reissues ihren Platz haben. Nachdem in den frühen
50er-Jahren die Kritiker geglaubt hatten, Duke Ellingtons Bedeutung für
den Jazz sei eine Sache der Vergangenheit und es auch mit seiner Publikumsgunst
nicht mehr weit her war, hatte er sich beim Newport Jazz Festival 1956
machtvoll zurückgemeldet. Glücklicherweise trat nun auch die
Langspielplatte ihren Siegeszug an. Die neue Popularität und die
erweiterten technischen Möglichkeiten erlaubten nun Ellington, der
seit je mit wichtigen Suiten hervorgetreten war, ambitionierte Platten-Projekte
zu verwirklichen, auf die sonst kaum ein Jazzmusiker jener Tage verfallen
wäre, etwa dieses großorchestrale Opus, das von den Dramen
William Shakespeares angeregt wurde. Der Witz des Dramatikers lag ihm
dabei hörbar näher am Herzen als Tragik. Für das 1957er-Columbia
Album „Such Sweet Thunder“ ließen Ellington und sein
Alter Ego Billy Strayhorn die Solisten zwölfmal wie Schauspieler
in Shakespeare-Szenen schlüpfen. So mimt etwa Clark Terry den Puck
in „Up and Down“, ein Stück, für das Ellington
wie übrigens allenthalben raffinierte Klangfarben anrührte.
Johnny Hodges, Britt Woodman und andere Sidemen haben große Momente
in Ellingtons und Strayhorns glänzenden Shakespeare-Impressionen.
Illinois Jacquet
Swing’s The Thing
(LP; Speakers Corner Records)
Illinois Jacquet (ts), Roy Eldridge (tp), Jimmy Jones (p), Ray Brown
(b), Herb Ellis (g), Jo Jones (dr). Man liest diese Namen und zweifelt
nicht, dass diese am 16. Oktober 1956 aufgenommende Verve-LP so swingt
wie der Titel zu Recht verspricht. Man wundert sich allenfalls über
Norman Granz’ Wahl des vor allem als Gesangsbegleiter bekannten
Jimmy Jones in einer Besetzung, die aussieht wie das verstärkte
Oscar Peterson Trio ohne Peterson. (Peterson hat im Herbst und Winter
1956, die ihm Vater und Tatum raubten keinen Ton aufgenommen). Jones
begleitet verhaltener als es Peterson je getan hätte, bildet mit
Ellis, Brown und Jones eine in jedem Tempo leichte, relaxt swingende
Rhythmusgruppe, vor der sich „Little Jazz“ und der Leader
umso konzentrierter und überlegter improvisierend ergänzen.
Jacquet, der halbe Sioux, dessen Spitzname sich vom Indianerwort Illiniwek
(überlegener Mann) ableitet, verzichtet im Uptempo auf jene publikumswirksame
Pfeifen-und-Röhren-Kraftmeierei, die ihm den allzu harten Vorwurf
des Exhibitionismus eingetragen hat. Als Balladier bietet er ein klangsinnlich
betörendes „Harlem Nocturne“ und ein in wonnige Watte
gepacktes „Have You Met Miss Jones“. Da auch Roy Eldridge
einen ausgezeichneten Tag hatte, ja schon mal Jacquet die Show stiehlt,
dazu die Klangqualität auch all jene bekehren mag, die etwas gegen
Mono haben, ist das Album ein ungetrübtes Vergnügen.
Al Haig
Jazz Will-O-The-Wisp
Solar Records
Auf einer CD zwei 1954er-Trio-Alben von Al Haig: „Jazz Will-O-The-Wisp“ (Esoteric)
und „Al Haig Trio“ (Vogue), dazu ein seltener Bonustrack – Grund
zu feiern. Die vielen kleinen Label und das Erlöschen der Urheberrechte
machen es möglich: Man bekommt heutzutage wieder zuhauf Alben lange
ignorierter, früher Bebop-Pianisten wie Dodo Marmarosa, George Wallington,
Joe Albany oder eben Al Haig. Seine Aufnahmen ohne Parker, Gillespie,
Davis oder Getz sind kaum bekannt. Er war lange so gut wie vergessen,
obgleich posthume Enthüllungen über seine Schattenseiten wieder
Interesse an ihm geweckt haben – vielleicht besser so eine Motivation
als gar keine. In seiner Musik war der Mr. Hyde ein Dr. Jeckyll, ganz
ein Gentleman. Auf diesen Aufnahmen mit dem Bassisten Bill Crow und dem
Drummer Lee Abrams kommt der Tastensensibilist sehr gut zur Geltung.
Haig ist für sein Understatement bekannt: zwar verzichtet er nicht
auf brillante, schnelle Läufe, aber mit seiner lupenreinen Artikulation,
seiner an Teddy Wilson geschulten Eleganz, seinem für Bebop-Verhältnisse
zarten Anschlag klingt alles so mühelos, dass man nie das Gefühl
hat, einem Virtuosen zuzuhören. Selbst wo er rast, klingt er so
relaxed, dass man weniger an die emotionalen Ausbrüche Bud Powells
denkt, als etwa an die Westküsten-Bopper. Subtilität und Einfallsreichtum
gehen Hand in Hand. Zur Wiederentdeckung dringend empfohlen!
Coleman Hawkins
The High And Mighty Hawk
Poll Winners Records
In den späten 50er-Jahren hatte man nach jahrelang dominierenden
coolen Sounds wieder das Bedürfnis, den Urvater aller Jazz-Tenorsaxophonisten
mit seinem majestätischen, expressiven, prototypisch hotten Sound
zu vernehmen. Da nun LP und ab 1957 Stereophonie boomten, erschien nun
ein Hawkins-Album nach dem anderen. Nicht jedes war ein großer
Wurf wie 1958 das Felsted-Album „The High And Mighty Hawk“ mit
Buck Clayton (tp), Hank Jones (b), Ray Brown (b) und Mickey Sheen (d).
Diese CD enthält wohl Beans bestes Spiel zwischen „The Hawk
Flies High“, „Coleman Hawkins Encounters Ben Webster“ von
1957 und „Hawk Eyes“ von 1959, allesamt verbreitetere Alben
berühmterer Labels. In früher Stereophonie wurde die ganze
Fülle des Beanschen Wohlklanges großartig eingefangen, der
etwa in Balladen wie „You’ve Changed“ langanhaltende
Gänsehaut beschert; da Hawkins nie zuvor das Stück einspielte
und man, während er kurz pausiert, das Umblättern einer Seite
hört, vermute ich, daß er das Stück hier schlicht vom
Blatt spielt – einfach genial. Als Bonustracks bekommt man alle
ohne Ben Webster eingespielten Stücke aus dem kurz zuvor entstandenen
Verve-Album „Coleman Hakwins and Confrères“, und zwar
wieder mit Jones und Sheen, doch mit George Duvivier und mit dem kongenialen
Trompeter Roy Eldridge. Ein Genuss wie sich alle beteiligten auf beiden
Sessions gegenseitig inspirieren!
Albert Mangelsdorff – Wolfgang Dauner:
Hut Ab! – Two is
Company
(Mood)
Der erste Silberling des Doppelpacks, „Hut Ab!“, entstand
kurz vor dem 70. Geburtstag des berühmtesten Jazzmusikers Deutschlands,
der die Jazzposaune revolutionierte. Mit dem kongenialen Wolfgang Dauner
(p) und drei Könnern, die man 1997 noch zu den hoffnungsvollen Senkrechtstartern
zählte, Christof Lauer (sax), Dieter Ilg (b) und Wolfgang Haffner
(dr), geriet sein letztes Album unter eigenem Namen zu einem inspirierten
Generationentreffen. Wer Albert Mangelsdorff und Wolfgang Dauner von
Duo-Konzerten in Erinnerung hat, weiß, dass selten zwei schon solo
ganz erstaunliche Musiker sich so wunderbar ergänzten, so gut aufeinander
eingespielt waren und dabei stets überraschend und fesselnd, nie
nur routiniert musizierten. Und doch, sucht man nach diskographischen
Früchten dieses Duos, erkennt man erstaunt, dass, abgesehen von
einem Stück auf „Albert Mangelsdorff and His Friends“ (1969)
und vielleicht ein, zwei weiteren auf obskuren Samplern, nur das 1982
live in Stuttgart entstandene „Two Is Company“ als Denkmal
dieser beglückenden Kommunikation existieren. Indes sind die vier
Stücke des Albums so packend, dass man nicht genug von der ausgeschlafenen
Zwiesprache zwischen dem ausdrucksvollen Posaunisten und dem ausgefuchsten
Pianisten bekommt. Man kann nur hoffen, dass noch in irgendwelchen Archiven
schlummernde Konzertmitschnitte veröffentlicht werden.
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