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Eins vorab: die Produktionen des ungarischen Labels BMC geben eine ziemlich klare und bejahende Antwort auf die prägende Frage von Stuart Nicholson „Is Jazz dead? Or has it moved to a new address?“. Das Budapest Music Center, großer Veranstalter und als Label auch Herausgeber einer authentischen wie aktuellen Musik, die auf ungarische zeitgenössische wie folkloristische Quellen verweist, diese aber in der Begegnung mit den wesentlichen Elementen des Jazz zu einer unwiderstehlichen, überzeugenden, ja oft überwältigenden kulturellen Leistung verbindet. Waren es 2007 vor allem die Produktionen von Mihaly Dresch (Argyélus, BMC 131), Viktor Tóth in der Begegnung mit Hamid Drake (Climbing with Mountains, BMC 132) oder die Grupa Palotai, (Singapore BMC 133), kommt man in den letzten Wochen nicht an dem „Trumpet Kingdom“ von Alban Darche, an Gábor Gadós „Bynzantinum“ und „Horror Vacui“ des Plastic Septets vorbei. Der französische Saxophonist Alban Darche, Mitglied der Musikerinitiative Yolk aus Nantes und gelegentlich zu Gast bei BMC, versammelt mit seinem Trio plus dem Saxophonisten Sylvain Rifflet drei europäische Trompetenkönige auf seiner neuen Aufnahme: Laurent Blondiau aus Belgien, Eric Vloeimans aus den Niederlanden und Geoffroy Tamisier aus Frankreich. Alle drei stehen für das Individuelle und Außergewöhnliches, denkt man nur an Blondiaus „Määk’s Spirit“. Einen ungeheuren musikalischen Reichtum verbreiten sie in ihrem „Königreich“, bei traditionelleren Klängen ebenso wie bei neuen Abenteuern, jeder mit den für den einzelnen immer wieder erkennbaren Akzenten. Und zur Krönung haben sie noch Gabor Gado eingeladen, den großen Meister des ungarischen Jazz, um nicht zu sagen, noch ein König. Wie sehr dieser in den letzten Jahren der französischen Szene verhaftet war, zeigt seine eigene Einspielung „Byzantinum“, bei der er sein Pariser Quartett mit Sebastien Boisseau, Matthieu Donarier und Joe Quitzke mit seinen ungarischen Partnern, zum Beispiel dem Klarinettisten Lajos Rozmán oder der Marimba von Boglárka Fábry zusammenbringt. Neue Kraft und Freiheit muss auch der jahrelange Fan des Pariser Quartetts vom ersten Ton an feststellen, an denen die Franzosen allerdings großen Anteil haben. Faszinierende reichhaltige Klangbilder entstehen, mit rhythmischen Akzenten unterlegt, aus denen die ungarischen Traditionen sehr deutlich hervorschauen. Titel wie „Russian Russian“ oder „Mirandola“ entfalten schlicht Atemlosigkeit auch beim Hörer. Die dritte Aufnahme im Bunde führt in eine ausschließlich ungarische Produktion unter dem Namen „Plastic Septet“, angeführt von dem Gitarristen Gábor Brezovcsik, der zusammen mit den Saxophonisten Dániel Váczi, Gábor Lukácss und Balázs Nagy sowie mit dem Bassklarinettisten Keve Ablonczy, Péter Nagy, Bass, und András Mohay zu hören ist und zwar in dieser Septett-Form zum ersten Mal dokumentiert. Auch hier fällt wieder diese riesengroße Kompaktheit und Kraft auf, die sich manchmal dem Fluss eines swingenden Rhythmus hingibt, im nächsten Atemzug sehr nachdenklich eine Vielzahl von musikalischen Phrasen verbreitet, die man glaubt, so noch nie gehört zu haben. Da gibt es den vierteiligen suitenartigen sehr krausen Titel „Mad I – IV“ aus der Feder des Dániel Váczi, der auch für die lässig swingenden vier Teile „Camino A – D“ verantwortlich ist. Selten hört man eine Aufnahme, die so voller ganz unterschiedlicher Ideen steckt, die von Titel zu Titel immer mehr überzeugen hin bis zu einem großen Bedauern, als es nach fast 60 Minuten zu Ende ist. Was efür in Glück, denkt man nach dem Genuss der drei Neuerscheinungen, nicht nur dass es BMC und den ungarischen Jazz mit allem Verwandtem gibt, sondern dass die Produktionen inzwischen auch über Codaex München auf dem deutschen Markt sind. Als kleine Draufgabe erfährt man durch die teilweise hinreißende Covergestaltung des Künstlers Gábor Bachmann auch noch einen Einblick in die aktuelle Bildende Kunst Ungarns. Hans-Jürgen von Osterhausen
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