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Jazzzeitung
2008/05 ::: seite 6
portrait
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Der norwegische Pianist Helge Lien hat sich mit seinem neuen, auf Ozella
Music erschienenen Album „Hello Troll“ auf neues Terrain
begeben: weg von den Standards, die sein ehemaliges Label, die japanische
Plattenfirma DIW so hoch schätzte – und die er stets kunstvoll
individuell umformte. Hin zu einer Musik, die er mit Selbstbewusstsein
sein eigen nennen darf – inspiriert und dynamisch in klassischer
Triobesetzung eingespielt. Lien ist die Balance wichtig; zwischen Ruhe
und Klanggewalt, zwischen Witz und Ernst wandert er wie zwischen den
Seen und Wäldern Norwegens gelassen umher. Gelassen, aber stets
konzentriert und energiegeladen: „Ich sähe es am Liebsten“,
entgegnet er auf die Frage nach einer Einschätzung seiner Spielweise, „wenn
man sie als kraftvoll bezeichnen würde. Kraftvoll und stark – auch
dann, wenn ich leise spiele.“
jazzzeitung: Warum hast du diesen Titel für deine Platte gewählt?
Besonders „jazzig“ ist „Hello Troll“ ja nicht
gerade, sondern er hört sich eher nach Folk an.
Helge Lien: Stimmt, das ist wahr. Ich weiß eigentlich keine schlüssige
Antwort hierauf. Vielleicht kommt es daher, dass ich aus einer Gegend
komme, wo man immer von Wäldern umgeben ist. Ich entstamme ja nicht
so einer urbanen Jazzszene, wie beispielsweise jener von New York. Ich
bin aus dem Wald! Grundsätzlich wird Jazz ja eng mit Amerika verbunden.
Mit dem Großstadtleben der USA der 30er- bis 60er-Jahre. Ich hingegen
muss meine eigene, persönliche Verbindung zum Jazz finden, aus meiner
Lebenssituation heraus.
Deshalb der Titel „Hello Troll“. Ich weiß nicht zu
sagen, wie es dazu kam, nur dass er plötzlich da war. Also brachte
ich ihn zu Papier, und dann wurde es ein Song. Natürlich kommt das
von irgendwo her, möglicherweise also aus der Verbindung meines
Lebens mit den Wäldern … Weißt du, ich wollte gar keinen
dieser „typischen“ Titel für eine Jazzplatte! Das finde
ich nicht interessant. Es muss etwas mit mir zu tun haben. Das sagt natürlich
auch etwas über meine Form des Humors aus. Der ist ja ein recht
wichtiges Element in unserer Musik. Ich will ein Gleichgewicht in der
musikalischen Aussage, und der Humor ist ein bedeutender Bestandteil
davon. Gerade, weil wir auch sehr tiefe, ernste Elemente in der Musik
haben.
jazzzeitung: Beherrschst du auch andere Instrumente,
und hast du zur einen oder anderen Zeit auch selbst gesungen? Es ist
ja weit verbreitet
in Norwegen, in einem Chor oder einer Kapelle zu sein …
Lien: Es stimmt, viele Norweger sind bei solchen Marschkapellen
dabei – ich
ebenfalls. Als kleiner Junge spielte ich dort Klarinette. Später
war es dann Saxophon. Diese Art von Orchestern hat in Norwegen eine lange
Tradition. Aber ich habe es rechtzeitig geschafft, aufzuhören; irgendwann
war’s auch mal gut! (lacht) Ich habe auch Musik mit Freunden gemacht
und da Gitarre gespielt. Auch ein bisschen Schlagzeug kann ich. Also,
Grundkenntnisse habe ich auf einer ganzen Reihe von Instrumenten, das
kommt manchmal sehr gelegen.
jazzzeitung: Wen würdest du nennen, wenn man dich nach einem Vorbild
fragt? Wer ist für dich der größte Pianist oder der bedeutendste
Musiker?
Lien: Vorbilder habe ich im Grunde viele. Sie kommen
aus den unterschiedlichsten Bereichen, und ihr Vorbildcharakter bezieht
sich auf die verschiedensten
Gebiete. Sie stehen auch für unterschiedliche Abschnitte in meinem
Leben. An vorderer Stelle muss ich aber einfach Keith Jarrett nennen – er
war wirklich über lange Zeit ein wesentlicher Einfluss für
mich. Ähnliches gilt für Bill Evans und Glenn Gould. Dann gibt
es da noch einen wirklich fantastischen Mann namens Misha Alperin! Ich
hatte das große Glück, ihn an der Staatlichen Akademie Oslo
als Lehrer zu haben. Als mein Lehrer hatte er natürlich einen viel
direkteren Einfluss. Ihn würde ich daher als meine Hauptinspirationsquelle
bezeichnen.
jazzzeitung: Was, meinst du, macht dein Trio
zu etwas Besonderem?
Lien: Ich hatte unabhängig voneinander bereits mit beiden Musikern
gearbeitet, mit dem Bassisten Frode Berg und dem Schlagzeuger Knut Aalefjær,
bis wir uns entschieden, etwas zusammen zu versuchen. Das war ein wirklicher
Glücksgriff! Wir probten an der Staatlichen Akademie, nahmen dort
Demos auf. Eines davon veröffentlichten wir 2001 als unsere erste
CD auf dem Label „Curling Legs“ … Ja, was ist das Besondere
an diesem Trio? Was mich immer wieder verblüfft, ist, wie sehr diese
beiden Musiker immer in Bewegung sind. Sie sind unberechenbar. Genau
das mag ich, diese Unberechenbarkeit, die Unvorhersehbarkeit, wohin eine
Entwicklung führen mag. Natürlich kennen wir uns auch sehr
gut, das macht unser Spiel kompakter und versetzt uns in die Lage, die
Dinge zu steuern und ihnen auch bewusst eine Richtung zu geben. Aber
nach wie vor fühle ich im Spiel der beiden ein konstantes Suchen,
eine ständige Herausforderung – nicht nur an mich, sondern
auch untereinander. Das ist im Studio so und auch auf der Bühne.
Und in dieser Art kenne ich das sonst nirgends. Carina Prange
CD-Tipp
Helge Lien Trio: Hello Troll
Ozella Music 2008
siehe auch Rezension, S. 14!
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