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Jazzzeitung

2008/05 ::: seite 7

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Inhalt 2008/05

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig / Die Abenteuer des Werner Steinmälzl, Teil 5 / Roy Brooks / Abschied von „Little Giant“ Johnny Griffin


TITEL -
Schüler und Meister
Ein Interview mit dem Pianisten John Taylor


DOSSIER
- Diese Musik tanzt mich
Über die Lindy Hop- und Swing Dance-Welle berichtet Dietrich Schlegel

Berichte
„A European Jazz Jamboree“ // Swing Festival Elmau // Jazzopen in Stuttgart // 32. Leipziger Jazztage


Portraits

Sonny Rollins im Interview // Sheila Jordan wird 80 // Bassist Wolfgang Schmid wird 60 // Das Münchner Quintett Carte Blanche // Mo’ Blow // Helge Lien // Thilo Wolf: Big-Band-Leader mit „altmodischen“ Helden


Jazz heute und Education
BMW Welt Jazz Award 2009 // Premiere des neuen JazzOrchesters Regensburg // John Taylors Komposition „In Cologne”

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

 

Mit Fragezeichen

Sonny Rollins im Interview

Schade, dass Fotografieren nicht erlaubt war. Es wäre ein großartiger Moment gewesen. Sonny Rollins, der große alte Meister der Hardbops, in der Suite eines Design-Hotels, gehüllt in einen schwarzen Trainingsanzug, darüber der leuchtende Bademantel des Hauses, die grauen Haare famos nach vielen Seiten abstehend. Da sitzt er auf einem Wohnobjekt und erzählt dem Journalisten aus Deutschland, der ihn um zwei Uhr nachmittags viel zu früh geweckt hat, wie das so ist mit dem Jazz, der ja genau genommen die Wurzel aller aktueller Musik darstelle.

Sonny Rollins. Foto: Universal

Bild vergrößernSonny Rollins. Foto: Universal

Ein faszinierender Augenblick, unwirklich irgendwie, ein wenig privat und doch distanziert genug, um die Aura des Genius zu wahren. „Musik an sich hat kein Ende“, meint er dann in gemessenem Ton. „Ich denke, in meinem Alter gibt es zwei Sorten von Musikern. Die einen blieben an einem gewissen Punkt stehen und sind zufrieden mit Plattitüden. Ich aber verstehe mich nicht so. Meine Musik ist ein fortschreitender Prozess. Ich habe als eine Art Wunderkind angefangen und konnte damals mit allen spielen, die etwas zu sagen hatten. Seitdem versuche ich besser zu werden, bin aber noch nicht an dem Punkt angelangt, an dem ich sagen könnte: Hier ist jetzt der Sonny Rollins, der sein Ziel erreicht hat. So fühle ich mich nicht. Ich habe noch immer ein großes Fragezeichen ein meinem Kopf.“

Sonny Rollins ist inzwischen 78 Jahre alt. Er müsste sich nicht mehr beweisen, schließlich ist seine Kunst lexikalisiert und er selbst längst als einer der Ahnherren der amerikanisch jazzenden Moderne ins Pantheon der Legenden aufgenommen worden. Aber wer ihn einmal auf der Bühne erlebt hat, der weiß: Er kann nicht anders. Rollins will spielen, muss spielen, denn er ist niemand, der sich zur Ruhe setzt: „Ich habe ein gewisses Talent und es ist mein Job, es soweit auszubeuten, das etwas dabei herauskommt. Live spielen gibt mit die Möglichkeit, das direkt unter realistischen Bedingungen zu versuchen. Natürlich ist es schwierig mit der ganzen Reiserei. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch machen kann, aber zur Zeit sieht es ganz gut aus, mit der Hilfe von ein paar Managern und anderen Leuten klappt es noch immer“.

Dabei ist es ihm ganz gut gelungen, über die unterschiedlichen Phaser der Popularität hinweg, die der Jazz durchlebt hat, seinen Marktwert zu erhalten. Mehrfach hatte er sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und eine Auszeit genommen, mehrfach ist ihm das Comeback gelungen: „Das letzte Mal, als ich aufhörte, das ist ja schon etwas her, damals in den Siebzigern. Aufgehört hatte ich, weil ich Probleme mit dem Business hatte. Jazzmusiker hatten es schwer, an ihre Tantiemen zu kommen, überhaupt richtig bezahlt zu werden, dann der ganze Ärger mit Werbung und so. Ich habe auf meine eigene Art protestiert und aufgehört zu spielen. Außerdem studierte ich Philosophie, zog um die Welt. Ich wollte nicht, dass mir das Business diktiert, wie ich mein Leben zu führen und mit Musik umzugehen hätte. Ich wollte keinen fetten Kerl mit Zigarre, der sagt: Lasst ihn hier mal ein bisschen, da mal ein wenig spielen. Dagegen habe ich mich gewehrt.“

Sonny Rollins hat es geschafft. Er hat die Zügel seines Künstlerlebens in der Hand, veröffentlicht seine Musik auf eigenem Label und gibt auch Live die Führung an niemanden ab. Ende November und Anfang Dezember nun kann man ihn an fünf Abenden in Deutschland auf den großen Bühnen der urbanen Hochkultur erleben. Im Vorfeld veröffentlicht er mit „Road Shows Vol.1“ eine Sammlung mit Live-Mitschnitten aus den vergangenen drei Jahrzehnten, die ihn in unterschiedlichen Besetzungen mit reichlich Bühnenenergie präsentieren. Es ist als Einstimmung auf die Gastspiele ideal, denn im Kern hat sich Sonny Rollins nicht viel verändert. Er spielt noch immer, als ging es darum, die Welt von seiner Kunst überzeugen zu müssen. Er ist ein Hohepriester der Tradition, die er selbst geprägt hat, und die trotz aller kultureller Turbulenzen in die Zukunft weist: „Jazz heute durchläuft eine Phase der Transformation, neue Technologien, die Schwäche der Plattenfirmen im Vergleich zu früher, die ganze Download-Geschichte. Es gibt keine Night-Clubs mehr, wo die Musiker spielen können. Dazu die vielen neuen Musiken aus aller Welt oder auch Hiphop. Jazz ist daher auf der Schwelle zu einer nächsten Stufe in im Informationsaustausch. Musikalisch aber ist Jazz immer noch am Fliegen, er wird sich ständig erneuern“.

Und Sonny Rollins wird ihn spielen, solange es ihm vergönnt ist.

Ralf Dombrowski

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