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Jazzzeitung

2008/05  ::: seite 3

jazzlexikom

 

Inhalt 2008/05

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig / Die Abenteuer des Werner Steinmälzl, Teil 5 / Roy Brooks / Abschied von „Little Giant“ Johnny Griffin


TITEL -
Schüler und Meister
Ein Interview mit dem Pianisten John Taylor


DOSSIER
- Diese Musik tanzt mich
Über die Lindy Hop- und Swing Dance-Welle berichtet Dietrich Schlegel

Berichte
„A European Jazz Jamboree“ // Swing Festival Elmau // Jazzopen in Stuttgart // 32. Leipziger Jazztage


Portraits

Sonny Rollins im Interview // Sheila Jordan wird 80 // Bassist Wolfgang Schmid wird 60 // Das Münchner Quintett Carte Blanche // Mo’ Blow // Helge Lien // Thilo Wolf: Big-Band-Leader mit „altmodischen“ Helden


Jazz heute und Education
BMW Welt Jazz Award 2009 // Premiere des neuen JazzOrchesters Regensburg // John Taylors Komposition „In Cologne”

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

 

Roy Brooks

3. September 1938 Detroit, Michigan, bis 15. November 2005 ebenda

Detroit war in den 50er-Jahren eine unerschöpfliche Nachwuchsquelle der New Yorker Jazz-Szene. Unzählige Musiker stammen aus Detroit, darunter die Jones-Brüder sowie die Drummer Elvin Jones und Louis Hayes. Wer aber in Detroit bleibt, wird allerdings selten über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt. Wie seine jazzenden Mitbürger übersiedelte auch Roy Brooks in den Big Apple, aber im Gegensatz zu ihnen kehrte er 1977 nach Detroit zurück – neben seiner bipolaren affektiven Störung wohl der Hauptgrund dafür, dass er nie so recht bekannt wurde. Talent und Ruf der Detroiter Musiker erkennt man schon daran, dass Horace Silver bereits drei Detroiter in seiner Band hatte, als er 1959 Brooks für fünf Jahre in sein Quintett holte – als Ersatz für den Detroiter Hayes. Er hatte Silver so sehr von Brooks vorgeschwärmt, dass dieser ihn anrief und engagierte ohne ihn je zuvor gehört zu haben. Was für ein Einstand! Sein Drumming jener Jahre ist nicht nur auf legendären Silver-Alben jener Jahre zu hören, sondern zum Beispiel auch auf jenen von dessen Trompeter Blue Mitchell oder von Shirley Scott.

Miles Davis sagte einmal zu Brooks: „,Der Schlagzeuger ist der Leader in meiner Band. Ich zahle ihm lediglich ein Gehalt’. Dies gab mir einiges zum Bedenken bezüglich meiner Rolle in der Band. Du brauchst nicht aufdringlich zu sein, aber Du bist nicht nur der Puls, du bist der Führer. Du bringst die Dinge zum atmen, zum Halt und in Gang.“ Dem wurde Brooks musikalisch durchaus gerecht, wie auch die Prestige-Aufnahmen Chet Bakers aus dem Jahr 1965 und jene Yusef Lateefs beweisen, dessen Band er von 1966 bis 1969 angehörte. Doch schon in seiner Glanzzeit, den 60ern, wird er bisweilen verhaltensauffällig, kontrollierte sich allerdings so gut, dass seine Frau erst einige Zeit nach der Hochzeit 1967 seine psychische Labilität bemerkte. 1970 wurde Brooks ein Gründungsmitglied von Max Roach’s Gruppe M’Boom Repercussion.

1972 kam Roy Brooks zu Charles Mingus. Eines Tages beschlossen sie, den Leuten, die oft jede Musik, die ihnen als avantgardistsich vorgesetzt wurde, mochten, einen Streich zu spielen. Mingus trat im Village Vanguard auf und kündigte eine neue Avantgarde-Band an, die Roy Brooks angeblich zusammengestellt habe. Brooks und die Rhythmusgruppe erschienen vor dem Vorhang und spielten konventionell. Hinter dem Vorhang erklang eine Kakophonie. „Die Leute hörten aufmerksam zu.“ Nach dem Set wurde der Vorhang gelüftet und drei kleine Kinder kamen mit einer Trompete und zwei Klarinetten zum Vorschein. Selbst dann noch war ein Teil des Publikums sich nicht darüber im Klaren, dass es nur ein Scherz gewesen war. Brooks tourte mit Mingus’ Band 1972 durch Europa.

Danach spielte er noch mit einer ganze Reihe herausragender Musiker, bevor es stiller um ihn wurde als er 1977 nach Detroit zurückging. Dort war er zunächst sehr aktiv. Er gründete ein Zentrum, in dem jungen Menschen Jazz beigebracht wurde und leitete den Aboriginal Percussion Choir. Kollege Louis Hayes erinnert sich: „Roy konnte sich so viele kreative Dinge ausdenken, auf die sonst keiner gekommen wäre. Er nahm das Schlagzeug und fand eine Methode, mit Luftröhren, Luft hinein und hinauszupumpen und damit verschiedene Klänge zu erzeugen. Und er spielte singende Säge und swingte damit.“ Da Medikamente sein Spiel negativ beeinflussten nahm er sie nicht regelmäßig. Die Folgen seiner Krankheit brachte ihm daher viele Jahre in Heil- und Haft-Anstalten ein. Die längste Haftstrafe verdankte er einem Richter, mit dem er lange befreundet war, bis auch er Opfer seiner aggressiven Anfälle wurde. Seine Ehe zerbrach, seine Kollegen gingen auf Abstand. Er starb 67-jährig in einem Heim.

Marcus A. Woelfle

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