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Mein Freund Stefano ist halber Italiener und besitzt dieses südländische Talent zur vokalreichen Dramatisierung, zum affektvollen Lamento. Leider verstehe ich nicht genug Italienisch, sodass er mit mir Deutsch sprechen muss, ein beschädigtes Deutsch, das beim Überqueren der Alpen so gelitten hat wie einst Hannibals Elefanten. Das macht jeden seiner Anrufe zu einer anstrengenden Heimsuchung, die ich Ihnen im Original-Wortlaut nicht zumuten will. Eine Zusammenfassung vielleicht? „Als Jazzproduzent bist du doch immer der Arsch“, klagte Stefano neulich. „Verkauft sich ein Album, kann es, den Kritikern zufolge, kein guter Jazz sein; dann hast du als Produzent den Künstler in die kommerzielle Ecke gedrängt. Verkauft sich das Album nicht, ist das auch deine Schuld, denn dann hast du die Fäden nicht richtig gezogen und dem Künstler zu viel Freiraum gelassen. Gefällt dem Kritiker das Album, dann hat sich der Künstler glücklicherweise gegen irgendwelche Bedenken des dummen Produzenten durchgesetzt. Gefällt es ihm nicht, dann hat der Produzent es zu Tode produziert. Und so weiter: Überredest du einen Musiker zu etwas Neuem, aber es funktioniert dann nicht: Klar, der Produzent war schuld. Funktioniert es, hast du den Musiker verbogen und ihn zum Werkzeug deiner Produzentenphilosophie erniedrigt. Vertraust du ihm und lässt ihn einfach machen, giltst du als ein schwacher Produzent. Korrigierst du ihn aber, wird dir mangelndes Vertrauen in deine Künstler vorgeworfen.“ Stefano fielen noch etliche weitere Varianten ein, bis ich schließlich sagte: „Na, dann schreib doch meinen Namen als Produzenten hin!“ – „Dann willst du am Ende noch Tantiemen!“, antwortete Stefano empört. Nun benutzt er ein Produzenten-Pseudonym. Geizig sind sie nämlich auch noch, die Produzenten. Rainer Wein rainer.wein@gmx.net |
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