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Bireli Lagrene & Gipsy Project
Nach dem fulminanten Mitschnitt eines Wiener Auftrittes aus dem Jahre
2002 vor mehreren Tausend Zuhörern (Bireli Lagrene & Friends:
Jazz A Vienne, eine Doppel-DVD von Dreyfus), auf welchem sich das Gipsy
Project noch in der Basisbesetzung mit dem Violinisten Florin Niculescu
präsentierte, folgt nunmehr ein weiteres hörens- und sehenswertes
Konzert aus dem „Jazzwohnzimmer” der französischen Hauptstadt
Paris, dem Club „New Morning”. Lagrene in bester Spiellaune sowohl auf der akustischen Gitarre, als auch auf der semiakustischen Modernjazz-Gitarre. Im Vergleich zum Wiener Mitschnitt gibt es lediglich vier Repertoire-Überschneidungen, die jedoch im Hinblick auf differierende Mitwirkende die Attraktivität dieser Pariser Aufnahmen nicht tangieren. Die Gruppe ist auf der zweiten Solistenposition verändert – anstelle des Geigers betritt hier der Straßburger Saxophonist Franck Wolf die Bühne und fügt sich sehr homogen in das Ensemblekonzept ein – und sie wartet mit nur einem Rhythmusgitarristen (Hono Winterstein) auf. Das Programm besteht aus hitzigen Bopnummern wie Parkers „Donna Lee”, Ray Nobles „Cherokee” oder Dorado Schmitt/Hono Wintersteins „Mimosa” und Titeln im klassischen Sintiswing-Stil aus dem Django-Reinhardt-Fundus, allen voran der unverwüstliche „Minor Swing”, oder etwa Joseph Kosmas „Clair de Lune”. Signalisiert bereits durch die Instrumentierung des Quartetts, überwiegt hier die moderne Gangart, die Lagrene als vorzüglichen Bopgitarristen in den Spuren von Kenny Burrell und Herb Ellis erleben läßt. An eigenem Material gibt es „Place du tertre” vom Chef: sehr eingängiges Thema in mittlerem Tempo, fast barjazzhaft, wäre da nicht das flirrende Solo, das sich unter fortwährendem Fluss auch in sperrige Harmonien wagt und mit überraschenden Changes und enormer Farbenfülle aufwartet; „Un certain je ne sais quoi”, ein Rhythm’n’Blues-Titel vom Bassisten Diego Imbert; „Victor”, eine sanfte Ballade von Wolf. Dieser zeigt nicht nur in rasanten Unisonoläufen mit Lagrene (wie etwa das Thema von „Donna Lee”), sondern vor allem mit passionierten Soli in den nervös-rasanten Bebop-Nummern „Cherokee” (auf dem Sopransax) und “Mimosa” (auf dem Tenorsax), was er zu bieten hat. In beiden Nummern fällt gleichzeitig das ambitionierte Comping Lagrenes auf, wenn Wolf auf seinen Soloflügen unterwegs ist. Seien es seine Soli in den soeben genannten Titeln, in „Place de tertre” oder in der langen unbegleiteten Ouvertüre zum „Freedom Jazz Dance”: Das ist nicht nur schiere Technikdemonstration (diese Stellen gibt es auch, bleiben jedoch vereinzelt), sondern pralle Formulierungslust mit all dem Vokabular, welches das Instrument zwei Generationen nach Burrell hergibt. Ruhige Kameraführung und Schnitt stellen sich ganz in den Dienst einer ablenkungsfreien Dokumentation von musikalischem Geschehen und Atmosphäre. Die Kamera fokussiert häufig die Gitarre und macht damit Lagrenes phänomenale Spieltechnik visuell verfolgbar. Der sogenannte dokumentarische Teil bietet nicht sonderlich viel Neues, ein reichlich flüchtiger Blick auf den Musiker Lagrene, der interviewartig ein paar wenige Fragmente aus seinem Werdegang und seinen Einflüssen zum Besten gibt (es gibt besser geführte Interviews, in denen man viel mehr erfährt, beispielsweise dasjenige, welches er 2005 der BBC gegeben hat, siehe www.theworld.org/globalhits/2005). Dies wird durchsetzt von Konzertausschnitten, die wir bereits im Konzertmitschnitt gesehen haben. Erwähnenswerte Außenaufnahmen außerhalb des New Morning gibt es nur – und dies leider auch nur flüchtig – von einem Besuch Lagrenes im „La Chope des Puces”, einem Bistro, in welchem sich die Manouche- & Gitano-Szene in Paris trifft (122, rue des Rosiers a Saint Quen, Porte de Clignancourt). Fazit: Eindrucksvoller Konzertmitschnitt und entbehrliche Dreingabe. Gerhard Litterst |
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