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Das Konzept der Macher der 37. Internationalen Jazzwoche Burghausen war es, in diesem Jahr verstärkt internationale Größen mit weniger bekannten, aber dennoch musikalisch hochwertigen Formationen und Nachwuchsgruppen zu verbinden. Dieses Konzept ist zweifelsohne aufgegangen, konnte der Veranstalter doch einen erneuten Anstieg der Besucherzahl vermelden. So waren alle Konzerte ausverkauft bis gut gefüllt.
Allerdings hatten einige Veranstaltungen eine recht polarisierende Wirkung auf Publikum und Presse. So gingen die Meinungen über die Auftritte des Eröffnungsdoppelkonzerts mit der Jan Garbarek Group und der Viktoria Tolstoy Group ziemlich auseinander. Vom bekannten Saxophonisten Garbarek darf man aber auch nichts anderes erwarten, als dass er seine kantabilen Melodien kompakt in Szene setzt. Der Sängerin Viktoria Tolstoy kann man allerdings nicht ganz zu Unrecht vorwerfen, dass sie schon des Öfteren – und wohl auch bewusst – hauptsächlich durch ihre Optik zu beeindrucken versuchte. Auch der mehr an Hollywood als an den echten Blues erinnernde Showauftritt der Three Ladies Of Blues am Samstagnachmittag spaltete das Publikum. Wenn man sich abgesehen vom exzellenten Begleittrio um den ungarischen Pianisten Gustav Csik durch seichte Comedy und wenig ausdrucksstarke Gesänge unterhalten lassen wollte, war man hier an der richtigen Adresse. Für die Freunde des erdigen Blues gab es hier allerdings nichts zu holen. Altmeister Abdullah Ibrahim sorgte durch das eineinhalbstündige
Nonstop-Zelebrieren seiner manchmal zu schönen Melodien in kammermusikalischer
Triobesetzung am Samstagabend bei den nicht gerade extrem meditativ eingestellten
Zuhörern für einige Ermüdungserscheinungen. Der Großteil
des Publikums erklatschte sich aber dennoch eine zwanzigminütige
Zugabe der gleichen Art. Im Mittelpunkt des Konzerts stand die Aufführung der von Schifrin komponierten sechssätzigen „Latin Jazz Suite“ und diese Aufführung avancierte zu einem der beeindruckendsten Klangerlebnisse, die man sich in Sachen Big-Band-Konzert überhaupt vorstellen kann. Das Spektrum reicht von karibischen Klängen mit einer kantabilen Melodik in Terzparalellen bei den beiden Bläsersolisten, über melancholische Tangostimmungen und experimentelles Tastengeklapper bis hin zu mitreißenden brasilianischen Perkussions-Elementen auf Kongas, Glocken und Cabassa. Die Exaktheit jedes auch noch so kleinen Bläsereinwurfs und der enorme Drive der BBC Big Band sowie die Virtuosität und außerordentliche musikalische Reife der Solisten ließen den Abend zum Konzertereignis der ganz seltenen Qualität werden. Dazu trug auch die unglaubliche Virtuosität des Trompeters Jon Faddis bei. In Höhen, in welchen andere bereits am Kulminationspunkt ihrer Künste angelangt sind, fängt für ihn die hinwegfegende Ausdruckskraft seiner Soli oft erst an. Weltklasse agierte auch Kontrabassist Ron Carter mit seinem Trio. Seine entspannte und dennoch unglaublich exakte Art, den Bass als Melodieinstrument einzusetzen, suchte ihresgleichen. Die Sängerin Diane Schuur beeindruckte mit ihrer Combo durch emotionale Tiefe, und das österreichische Quintett Finest Blend durch erfrischend unorthodoxe Crossover-Bläserklänge, die bis ins Musikkabarettistische reichten. Denn wenn eine Tuba wie in „Sonntag is‘s“ Slap-Bass-Klänge imitiert oder in „Sheepdance“ alle möglichen und unmöglichen Töne erzeugt, um von irischen Schafen und Steinwällen zu erzählen, dann besitzt das schon den Reiz des wirklich Außergewöhnlichen. Aber auch der unkonventionelle Groove des Fünfvierteltaktes in „Komott“, der schrille Vitalismus in „Chicago darf nicht Wien werden“ oder die Rap-Einlage im Volksliedverschnitt „Jo weil mir Mondscheinbriada san“ zeugten von besonderer Kreativität. Als sehr bereichernd für das Festival entpuppte sich der erstmals eingeführte „Next Generation Day“, der am Sonntag mit der orientalisch geprägten Formation Cyminology, dem experimentellen schweizer Trio Tré, der Sängerin Nadia Maria Fischer und der vom Bebop bis Jazzrock gepolten Combo um Drummer Christian Krischkowsky eine ebenso hochkarätige wie stilistisch breite Palette bot. Wunderschön innig gestaltete gerade die Vokalistin Nadia Maria Fischer zur akustischen Gitarrenbegleitung von Norbert Scholly und zu Dietmar Fuhrs weichem Kontrabassspiel ihre Songs. In Van Morrisons „Moondance“ brauchte sie lediglich die Walking-Lines des Kontrabasses, um mit ausdrucksstarker Stimme einen fesselnden und tiefgehenden Swing über die Bühne zu bringen. Insgesamt hinterlies somit die diesjährige Burghausener Jazzwoche einen sehr positiven Gesamteindruck, der auf nächstes Jahr neugierig macht. Stefan Rimek |
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