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Dass Kurt Weill einen großen Einfluss auf den Jazz hatte, viele seiner Songs in die Jazzliteratur eingingen, ist ein offenes Geheimnis. Wer hat sich nicht irgendwann in seinem Leben an „Mack The Knife“ von Ella Fitzgerald begeistert? Zufall ist das aber nicht, hat doch der Jazz Kurt Weill im Gegenzug beeinflusst und auch beeindruckt. Nicht nur dass er offenbar Louis Armstrong Platten sammelte, wofür dieser sich ja nachhaltig mit seiner Fassung von „Mack the Knife“ bedankt hat, er schätzte am Jazz sehr die Verbindung von Unterhaltung und hohem künstlerischen Anspruch, eine Einstellung, die ein Leitmotiv für ihn selbst war.
Interessant, dass er auch auf junge Musiker bis heute große Faszination ausübt. So widmete der junge Kölner Pianist Lars Duppler ihm seine gerade erschienene neue CD „Le Grand Lustucru“ mit seinem Klaviertrio und den Gästen Eva Mayerhofer, Gesang, und John Ruocco, Klarinette. Auf die Frage, warum er die Aufnahme gerade nach dem gleichnamigen Titel aus „Marie Galante“ gewählt hat, erklärt er, dass Weill die besondere Fähigkeit ausgezeichnet habe, sich in andere Kulturwelten hinein zu denken. Das sei nicht nur ab Mitte der 30er Jahre mit seiner amerikanischen Wahlheimat der Fall gewesen, sondern auch in Bezug auf die französische Liedkultur, wofür „Le Lucustru“, der „Kinderfresser“, der so vielen französischen Kindern vorgehalten wurde, wenn sie nicht „brav“ waren, ein gutes Beispiel sei. Doch zunächst ein Blick in die Biographie des jungen Musikers. Zur Hälfte gebürtiger Isländer hat er in Köln bei Hans Lüdemann, John Taylor und Bill Dobbins studiert. Ein Jahr lang verbrachte er als Erasmus-Stipendiat am Pariser Konservatorium bei Francois Théberge, Daniel Humair und Hervé Sellin. Ein Jahr, das ihm viel vermittelt, den Blick über den Tellerrand der deutschen Szene geöffnet hat. Umso mehr freut er sich über ein halbjähriges Stipendium, mit dem ihm das Land Nordrhein-Westfalen ab Mai dieses Jahres ermöglicht, noch einmal für ein halbes Jahr zum Zwecke vertiefender Studien nach Paris zu gehen. Noch während des Studiums hat er seine erste CD, „Pallindrome“ (bei Jazzhausmusik, 108) veröffentlicht. Auch hat er zu dieser Zeit Big-Band-Erfahrungen im European Youth Orchestra mit Konzerten in Skandinavien und Süd-Ost-Europa gesammelt. Es folgte eine weitere CD „Lars Duppler Palindrome 6tet“ (wieder bei Jazzhausmusik, 131). Schließlich bestätigten auch einige Preise die Qualität seiner erst jungen musikalischen Laufbahn: Er war Preisträger des DaimlerChrysler Jazz-Contest, der Jazz-Förderpreises der Stadt Köln (Horst und Gretl Will-Stipendium), und Finalist bei dem Montreux Klavierwettbewerb sowie dem Martial Solal Klavierwettbewerb in Paris. Nach wie vor hat er Kontakt zu seiner (halben) isländischen Heimat und kennt auch recht gut die relativ zahlreichen Musiker von dort. Das nächste Projekt wird sich voraussichtlich mit isländischen Themen und Songs beschäftigen. Mit Kurt Weills Musik kam er über Joachim Kühn und dessen Dreigroschen Oper-CD (Verve 532498-2) aus dem Jahr 1995 in Kontakt. Die Musik interessierte und faszinierte ihn zunehmend. Er hörte nicht nur neue Interpretationen der Weillschen Werke, sondern auch Originalaufnahmen aus den 30er-Jahren, und beschäftigte sich mit dessen Leben. Er lernte, „dass Weill nicht zu denen gehörte, die den Kulturbetrieb so bierernst nahmen. Er wollte vor allem Musik für alle, auch die einfachen Menschen, machen. Er schrieb schöne Meloden, die er anspruchsvoll verpackte und lehnte die Unterscheidung zwischen E- und U-Musik ab. Weill blieb nicht unberührt von der Amerikabegeisterung der 20er Jahre. So kam er in Berührung mit dem Jazz, der für ihn ein Ausdruck der Moderne war. So überrascht es nicht, dass er Elemente der Orchestrierung, aber auch des Rhythmus und der Melodiegestaltung in sein Werk übernahm. Ich mag seine Ironie und dass er an die Menschen, die seine Musik hören, denkt, ohne sich anzubiedern“. Die meisten Titel stammen aus der Dreigroschenoper, so vor allem der kraftvolle und mitreißende Einstieg mit „Pollys Song“, die elegische „Grabschrift“, deren poetische Kraft von John Ruoccos einfühlsamer Klarinette noch vertieft wird und ein „Mackie Messer“, der ganz anders ist als man ihn kennt, wie Duppler selbst einräumt. Hinzu kommt ein Titel aus dem „Silbersee“, „Das Lied des Lotterieagenten“ und „Nannas Lied“, die Vertonung eines Brecht-Gedichts. John Ruoccos Klarinette passt sich wunderbar ein in die Atmosphäre der Aufnahme. Dass er ein selten gehörter, in den Niederlanden lebender Amerikaner und dazu noch einer der wenigen reinen Klarinettisten im zeitgenössischen Jazz ist, macht das Hörerlebnis mit ihm noch interessanter. Eva Mayrhofer, Sängerin aus Heidelberg, die in Köln an der Hochschule unterrichtet, gelingt es ebenfalls, den richtigen Ton mit ihrer schlichten, aber gar nicht einfachen Interpretation zu treffen. Mit dem Bassisten Matthias Akeo Nowak, als klassisch ausgebildeter Bassist noch ein relativer Neuling in der rheinischen Szene und dem sicheren wie dynamischen Jens Düppe hat Duppler zwei Partner gefunden, die das Geschehen einfühlsam und gelegentlich auch sehr gekonnt solistisch abrunden. Duppler bevorzugt bei Aufführungen dieses Programms eine mehrfunktionale Programmgestaltung, d.h. verbale Erläuterungen bis hin zu einem Gesprächskonzert, um auch bestimmte Dinge im kulturellen Hintergrund deutlich machen zu können. Nun heißt es bald die Koffer für das Stipendium in Paris zu packen, wo er mit Sicherheit viele neue Ideen bekommen wird und sicher auch die Partnerschaft mit Kollegen wie dem Saxophonisten Sebastien Jarrousse erneuern wird. Duppler erschließt sich im Gespräch und dann auch über ein Projekt wie das mit Musik von Weill als ein vielseitig interessierter jünger Künstler, der auch an den Dingen um die Musik herum oder in ihrem Hintergrund interessiert ist und dieses Interesse dann mit seiner persönlich hohen Qualität zu außerordentlich hörenswerten Ergebnissen verarbeitet. Man muss seinen Weg im Auge behalten! Hans-Jürgen von Osterhausen
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