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Jazzzeitung
2006/05 ::: seite 16
rezensionen
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Horace Silver: Lets get to the Nitty Gritty The Autobiography
of Horace Silver
University of California Press/264 Seiten
Gleich dreimal hat sich Horace Silver in die Geschichtsbücher
des Jazz gespielt: als Pianist (durch eine unverwechselbare kraftvolle
Spielweise), als Themenkomponist und Comboarrangeur (einer der besten)
und als Bandleader (vor allem mit seinem klassischen Hard Bop Quintett).Optimismus
und Selbstbewusstsein, Merkmale seiner Musik, prägen auch sein
Buch, dazu eine freundliche Offenheit und ein starkes Traditionsbewusstsein.
1939, mit 11 Jahren, packte ihn ein Auftritt des Jimmie Lunceford Orchesters
so sehr, dass er damals schon Musiker werden wollte. Als Vorbilder nennt
er unter anderen Ahmad Jamal, Oscar Peterson, Bill Evans und Nat King
Cole; aber auch ältere Pianisten wie Herman Chittison, Willie the
Lion Smith, Don Ewell und Joe Turner beeindruckten ihn. Wie schade,
dass seine Karriere nach 1970 einen Knick bekam.
Er trat nicht mehr ständig auf, und die Gründung eines eigenen
Plattenlabels (SILVETO) hatte mangels eines guten Vertriebs zur Folge,
dass es in den 80er-Jahren nichts Neues von ihm zu kaufen gab (Art Blakey
machte diesen Fehler nicht). Das sympathische Buch, das eine Diskographie,
aber leider keinerlei musikalische Analysen enthält, macht allerdings
wieder einmal die Schwäche von Autobiographien bewusst (jedenfalls
im Jazz): Es wurden keine Recherchen herangezogen, es wurden keine Interviews
mit Musikern, Produzenten, Veranstaltern und so weiter. gemacht; es
wurde nichts hinterfragt. Es gibt zwar einen Herausgeber (Phil Pastras),
aber man spürt nichts von seiner Arbeit. Und beim Korrekturlesen
scheint er zu viele Horace-Silver-Platten gehört zu haben. Sonst
hätte es ihm nicht entgehen können, dass auf Seite 41 gleich
drei Namen falsch geschrieben sind (Wilbur Ware, Al Porcino, Zoot Sims).
Das hat Horace Silver nicht verdient.
Frank Driggs/Chuck Haddix: Kansas City Jazz – From Ragtime
to Bebop! A History
Oxford University Press,New York/274 Seiten
Erstaunlich, dass erst jetzt eine zusammenfassende gründliche
Darstellung dieses Themas erscheint. Dabei war die Stadt am Zusammenfluss
von Missouri River und Kansas River vor allem in den 30er-Jahren voller
Musik, hauptsächlich vitalem, bluesgetränktem Jazz, und ihr
Nachtleben mit zahllosen Kneipen, Tanzhallen und Nachtclubs, von denen
nicht wenige 24 Stunden (!) geöffnet waren, florierte auch während
der Weltwirtschaftskrise, vor allem dank Tom Pendergast, der von 1911–1939
(!) als Geschäftsmann und Politiker den Ton angab. Schon 1917 tauchte
die Bezeichnung „Jazz“ im Namen einer Band in Kansa City
auf (Dave Lewis Jazz Boys), aus der Walter Page (später u.a. bei
Count Basie), Leroy Maxey und DePriest Wheeler (beide später bei
Cab Calloway) hervorgingen. Von da an wurde die Bedeutung des Jazz in
der Musikszene der Stadt immer größer, geprägt vor allem
durch Namen wie Benny Moten, Blue Devils, Andy Kirk, Jesse Stone, Pete
Johnson, Big Joe Turner, Harlan Leonard, Buster Smith, Jay McShann und
dann vor allem Count Basie und Charlie Parker.
Darüber hinaus war Kansas City ein Zentrum der so genannten Territory
Bands, kleinere und größere Besetzungen, die in dem weiten
Gebiet etwa zwischen Minneapolis im Norden, St. Louis im Osten, Denver
im Westen und New Orleans im Süden tätig waren – in
den 20er- und 30er-Jahren weit über 100 Ensembles.
Dieses spannend zu lesende, informationsdichte Buch basiert auf einer
langen Vorarbeit beider Autoren, die zunächst unabhängig voneinander
Material sammelten und sich erst 1994 zusammentaten. Ihre Arbeit beweist,
dass der Kansas City Jazz ebenso wie der Chicago Jazz ein wichtiges
Kapitel der Jazzgeschichte darstellt. Eine deutsche Ausgabe wäre
deshalb sehr wünschenswert. Für erste Hörbeispiele sei
„Kansas City Jazz“ (2 CDs) empfohlen (Frémeaux &
Associés FA 5095).
Joe Viera |