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Es gibt eigentlich kaum ein musikalisches Gebiet, in dem der Jazz nicht irgendwann einmal gewildert hätte. Broadway-Schlager hat er an sich gerissen, Folklore-Melodien, Klassikthemen. Oft hat sich das später verwertete, filetierte, veredelte, umgestaltete
Ursprungsmaterial auch wirklich angeboten und ließ sich umstandslos
ins Reich der Blue Notes, erweiterten Harmonien und swingenden Rhythmen
integrieren. Wo aber finden sich hörbare Hinweise darauf, dass sich
„Chariots of Fire“ von Vangelis, „We Are The Champions“
von Queen, „Heart of Glass“ von Blondie, „Smells Like
Teen Spirit“ von Nirvana, „Knowing Me, Know- Das kultige amerikanische Piano-Trio The Bad Plus hat diese Nummern im Repertoire und gibt auf sehr musikalische Art eine plausible Antwort auf diese Frage. Lustvoll hat der flotte Dreier aus dem Mittleren Westen der USA die genannten Rock- und Popklassiker dekonstruiert und dann auf sehr eigensinnige Weise wieder zusammengebaut. Da werden die Betonungen verlagert, die Akkorde mit neuen Farben ausstaffiert, die Melodien auseinander gezogen und frische, sich oft wild gebärdende Rhythmen unterlegt. „Popmusik hat eine Qualität, von der Jazzmusiker lernen können“, sagt Reid Anderson, der Bassist von The Bad Plus. „Da gibt es Melodien, die dir im Kopf haften bleiben und dabei etwas hinterlassen, was nicht mal wir zerstören können.“ Das allerdings, was die Bandmitglieder selbst zu Notenpapier bringen, also gut 90% des Repertoires, schließt sich nahtlos an die Bearbeitungen fremder Titel an. Wenn The Bad Plus loslegen, ertönen markante Themen mit einem gewissen Hang zur Hymne – mit derber Rockwucht, unbändiger Jazzintensität, einer oft überraschenden Dramaturgie und Dynamik zaubert einem das Trio eine fast schon orchestrale Klangfülle in die Gehörgänge. Doch auch das ganz Filigrane, das Verspielte kommt bei den virtuosen Mannen nicht zu kurz. Und der Humor, ein bisweilen sehr kauziger, schon gar nicht. Ohne Frage haben sich Ethan Iverson (33, auf dem Foto in der Mitte), Reid Anderson (35, Foto links) und David King (35) einen Bandsound mit unglaublich hohem Wiedererkennungswert erarbeitet. „Als wir das erste Mal miteinander spielten, habe ich gleich gemerkt, dass da etwas ganz Besonderes entsteht, ein ganz neues Tierchen“, erinnert sich Ethan Iverson, der Pianist des Power-Trios. Eigentlich kennen sich die aus Minnesota und Wisconsin stammenden Berserker schon seit ihrer Teenager-Zeit. Doch erst im Jahre 2000 wurde ihr gemeinsames Projekt ins Leben gerufen, das jetzt sowohl Hörer aus dem Jazz- als auch aus dem Rocklager auf ihre Seite zieht (und unter Kritikern manchmal für kleine Kontroversen sorgt). Als die Frage kommt, ob The Bad Plus in ihren Anfangszeiten eigentlich eine Strategie oder gar ein bestimmtes Sounddesign im Sinn hatten, machen die drei Musiker auf Wackeldackel-Kollektiv. „Es gab nie ein so genanntes Konzept“, behauptet David King, der trommelnde Motor von The Bad Plus. „Wir sind sehr unterschiedliche Menschen, und sowohl unsere Backgrounds als auch unsere Geschmäcker weichen stark voneinander ab. Wir kannten uns nur sehr lange und das gab uns den Mut zu sagen, okay, lasst uns loslegen und sehen, was passiert. Wir hatten uns nur als Vorgabe auferlegt, nie vorzugeben, etwas zu sein, was wir nicht sind. Außerdem hatten wir uns darauf geeinigt, dass wir alle zu gleichen Teilen zu unserer Musik beitragen.“ Reid Anderson macht eine wichtige Ergänzung: „Wir sind eben kein klassisches Piano-Trio, sondern ein Klavier-Bass-Schlagzeug-Trio – das ist kein Witz, sondern ein feiner Unterschied. In den klassischen Piano-Trios steht das Tasteninstrument deutlich im Vordergrund und Bass und Schlagzeug begleiten mehr oder weniger. Bei uns sind die üblichen Funktionen aufgehoben.“ Diese paritätisch aufgeteilte Einheit, die sich da The Bad Plus nennt, wurde bislang auf einem autorisierten, selbstverlegten Bootleg, vier regulären Studioalben (das jüngste: „Suspicious Activity“/ Columbia/ SonyBMG) und der just erschienenen Live-CD „Blunt Object: Live in Tokyo“ (Columbia/SonyBMG) dokumentiert. Das Werk stellen The Bad Plus nun auf einer kurzen Deutschland-Tournee im April vor (22.4.: Berlin, Quasimodo/24.4.: Hamburg, Stage Club/ 25.4.: München, Unterfahrt). Text und Foto: Ssirus W. Pakzad |
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