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Kürzlich saß ich mit zwei schreibenden Kollegen im Konzert einer ganz jungen Sängerin, die genauso geklont klang, wie sie aussah. „Perfektes Styling für Trendfrisuren voller Elastizität und Schwung“, meinte Kollege A dazu. „Die spezielle Produktformel von Poly Swing!“ Kollege B hatte nicht richtig zugehört und fragte: „Wie nennt man diese Musik jetzt? Poly Swing?“ – „Eher Hybrid Jazz“, antwortete Kollege A. „Die fossilen Ressourcen sind erschöpft, Jazz geht in seine Nachbetriebsphase, testet kombinierte Antriebslösungen, ein bisschen Elektromotor für den Stadtverkehr und so, und spart damit ordentlich Energie und Herzblut.“ – „Also, ich nenne das einfach Cover Jazz“, sagte Kollege B. „Jazz, der teilhaben will am so genannten White Adult Entertainment Sector. Man nimmt Songs von Sting, Joni Mitchell oder Tom Waits, diesen jazzophilen Weltschmerz-Croonern, wickelt sie in transparente Jazzfolie und bleibt Yuppie-kompatibel. Wer da als Jazzer nicht mitmacht, landet im Kulturstadl von Hintertupfing.“ – „Klar, wer komplexen Jazz bläst, gilt als unoriginell“, meinte ich. „Aber originell ist, wer schlichten Erwachsenen-Pop spielt: Hancock covert Paul Simon, Redman Sheryl Crow, Cassandra Dylan. Coverismus pur.“ – „Eigentlich ist das kein Cover Jazz, sondern Undercover Jazz“, fand Kollege A. Das zielt ja nur auf den Wiedererkennungs-Effekt beim Pop-Hörer. Sogar die Verpackung muss aussehen wie Pop.“ – „Fragt sich nur, wer wirklich der Undercover-Agent ist“, sagte Kollege B, „ob nicht der Songwriter-Pop dabei den Jazz untergräbt. Jeder Nachwuchs-Jazzer komponiert doch Spannenderes als einen Dylan-Song!“ – „Dann sollte man den Jazz endlich entcovern“, murmelte ich. „Discover Jazz“, rief Kollege A, „die spezielle Produktformel von morgen!“ Rainer Wein |
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