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Was ist Qualität? Wie entsteht Qualität? Welches sind die Kriterien und wer entscheidet das? Wie wichtig sind Originalität, Analysierbarkeit, Komplexität, Folgerichtigkeit? Diesem in improvisatorischen Kreisen schon seit längerer Zeit wichtigen Thema widmete sich die diesjährige Internationale Tagung für Improvisation, die vom 10. bis 15. Oktober in Luzern stattfand, seit 1990 in dreijährigem Turnus zum 6. Mal.
Den „Fragen zu Qualität und Idiom“ – so der offizielle Tagungstitel – wurde in bewährter Weise durch morgendliche Vorträge, nachmittägliche Seminare und Workshops sowie abendliche Konzerte nachgegangen: hörend, improvisierend und diskutierend. Ein Sprung mitten ins Thema war bereits das Eröffnungskonzert: Lutoslawskis Streichquartett von 1964, das improvisatorische Passagen aufweist, wurde souverän präsentiert von dem jungen Luzerner Gémeaux-Quartett. Dem wurde in der zweiten Hälfte des Abends das Improvisationsquartett La Fourmi gegenübergestellt, ein Ensemble, das mit dem Schlagzeuger Fritz Hauser, dem Saxophonisten Urs Leimgruber, dem E-Gitarristen Christy Doran und dem Elektroniker Hans-Peter Pfammater ausgewiesene „Stars“ der Improvisations-Szene aufweist. Zwei Arten von Qualität: Bei Lutoslawski überzeugt die Stringenz des Ablaufs und die Gleichzeitigkeit von Kalkül und Klangsinnlichkeit. Bei La Fourmi fasziniert, wie vier scheinbar individualistisch agierende Musiker einen Klangstrom von höchster Homogenität und zugleich Intensität erschaffen. Horizontale und Vertikale sind hier wie aus einem Guss, doch statt Strenge der Konstruktion dominiert Lebendigkeit der Interaktion. Auch die folgenden Abende, an denen fast immer je ein Ensemble und ein Solist zu Wort kamen, präsentierten ganz unterschiedliche Ausprägungen und Strömungen improvisierter Musik. So brachte beispielsweise der zweite Abend das vom Jazz kommende Duo Conrad Bauer (Posaune) und Christoph Baumann (Klavier) vor einem Solo für „Geknackte Alltagselektronik“ – Klänge, die mit einfachen elektronischen Bauteilen produziert werden – von Norbert Möslang. Bei Letzterem hatte allerdings die Originalität des Klangmaterials deutlichen Vorzug vor der Originalität der Gestaltung. Besonders erwähnenswert das Solo des in Kanada lebenden Geigers Malcolm Goldstein und die verblüffende Stimm-Performance der Kölnerin Maria de Alvear. Beide sind sehr starke und vor allem sehr authentische Musikerpersönlichkeiten, deren Überzeugungskraft in der Individualität ihrer Sprache und in ihrer ungezähmten Ausdruckskraft zu suchen ist. Das Thema Qualität dominierte auch die Work-shoparbeit. Hierfür waren ausschließlich Dozenten gewonnen worden, die weniger als Pädagogen denn als renommierte Musiker bekannt sind und großenteils auch in den Konzerten auftraten, wie Goldstein, Hauser, Doran, de Alvear und andere. Workshops, nicht als musikpädagogische Spielwiese, sondern als Auseinandersetzung und Begegnung mit wichtigen Repräsentanten der improvisierten Musik. Viel wäre über diese Tagung noch zu berichten, so über die Vorträge, die das Thema Qualität von außen – beispielsweise durch einen Blick auf die europäische Kunstgeschichte oder Theorien ästhetischer Wahrnehmung – und von innen – durch eine aus dem praktischen Musizieren abgeleitete und durchaus als Provokation konzipierte Liste von „Geboten“ durch W. Fähndrich – behandelten oder über die zahlreichen Begleit-Seminare. Als Ort der Bestandsaufnahme, Selbstbesinnung und kritischen Hinterfragung in Sachen improvisierter Musik ist diese von Walter Fähndrich, Peter K. Frey und Christoph Baumann initiierte und organisierte Veranstaltung sicherlich einzigartig und es ist zu hoffen, dass sie noch viele Fortsetzungen erfährt. Matthias Schwabe |
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