Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Der amerikanische Pianist Brad Mehldau erreicht auch Leute, die ansonsten wenig Jazz hören. Beim Berliner Konzert seiner „Day is Done“-Tour wurde klar, warum das so ist. Mehldau holt seine Hörer mit angenehmen Klängen à la Piano-Bar ab. Das ist der Köder, mit dem er sein Publikum ins Reich der Improvisation lockt. Auf seinen Reisen spaziert er gleichermaßen durch Eigenes und Fremdes, durch Jazzstandards und Klassiker der Popmusik wie von den Beatles oder von Radiohead.
Mit Paul Simons „50 Ways to Leave Your Lover“ legen die drei Musiker einen elegant swingenden Einstieg hin. Hier bot sich gleich eine Paradestrecke für die einfühlsame Virtuosität des Bassisten Larry Grenadier. So heterogen die Themen auch anmuten mochten, der Künstler befindet sich mitten in der Tradition des Jazz: Er greift auf unterschiedlichste Quellen zurück, um sie dem eigenen Ausdruckswillen zu unterwerfen. Mehldau ist jung, Jahrgang 1970. Seine Generation wuchs auf in einer Zeit, in der alle Klänge schon gespielt, alle Konventionen bereits hinterfragt worden waren. So besinnt sich Mehldau auf die Essenz des Jazz: Mit seinen beiden Kollegen erforscht er im puristischen Format des akustischen Klaviertrios die Möglichkeiten der Gruppenimprovisation. Er zeigt, welches kreative Potenzial in der Selbstbeschränkung liegt. Inzwischen kann Mehldau auf fünf Ausgaben seiner Reihe „Art of The Trio“ zurückblicken. Mehldau liebt Stücke aus dem Genre der Piano-Bar-Musik – Balladen wie Peggy Lees Klassiker „The Folks who live on the Hill“. Mag die Musik zeitweise auch noch so schräg und intensiv geraten – nie rührt sie an Abgründe, gerät sie aus den Fugen. Mehldau am Klavier bleibt stets der geistreiche und taktvolle Gentleman. Dass Brad Mehldau sich moderne Pop-Musik vornimmt, macht ihn im Jazz keineswegs zum Exzentriker – denn die simplen Songs dienen lediglich als taugliches Ausgangsmaterial für die Improvisation. Inzwischen hat sich Mehldau seine ganz persönliche Ausgabe des „Great American Songbook“ geschaffen. In diese Sammlung fügt sich auch problemlos die extravagante 90er-Jahre-Band „Soundgarden“ ein, deren Stück „Black Hole Sun“ das Trio neu arrangiert vorstellte. Mehldau servierte hier beinahe romantische Klaviermusik in Reinkultur. Überhaupt durchstreift der Tastenzauberer Mehldau gerne mit feiner Anschlagskultur und entsprechender Phrasierung die europäische Spätromantik; Brahms und Strawinsky lassen grüßen. In Sachen Rhythmus geht es in diesem Trio konventioneller zu, obwohl Larry Grenadier und Schlagzeuger Jeff Ballard ihr Bestes geben. Wie in Mehldaus vom Bossa Nova angehauchter Eigenkomposition „Turtle Town“, bildet häufig ein durchgehender Rhythmus die stabile Plattform für die harmonischen Wandlungen. Jeff Ballard, erst seit kurzem Mitglied des Trios, arbeitet viel mit Geräuschen und bereichert so die Klangfarbenpalette. Beim Publikum kommt Mehldaus charmant lächelnde Verbeugung vor der Tradition gut an. Es reagierte in Berlin enthusiastisch und erkämpfte sich drei Zugaben. Mehldaus Baby, das von der Mutter mühevoll am Bühnenausgang zurückgehalten wurde, zeigte weniger Geduld und krabbelte beim letzten Stück auf die Bühne. Antje Rößler |
|