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Ein paar Takte reichen manchmal schon für die Erleuchtung. Der Münchner Sänger Philipp Weiss war mit seinem Förderer Mark Murphy eigentlich in einen New Yorker Club gegangen, um der Mikrofon-Kollegin Sheila Jordan zu lauschen. Die hatte sich für ihr Vorprogramm den legendären Pianisten Steve Kuhn ausgesucht. Und als der weißhaarige Ästhet begann, die ersten warmen Farben auf den Tasten zusammenzumischen, war Philipp Weiss sofort klar: mit keinem anderen Pianisten möchte ich mein geplantes Balladen-Album aufnehmen.
Die Pause zwischen den Sets nutzte der Münchner, um den Mann am Klavier anzusprechen. Der, typisch amerikanische Art, gab Philipp Weiss sofort seine Visitenkarte und ahnte nicht, was er sich damit eingehandelt hatte. Die Nummer mit der New Yorker Vorwahl wählte der Sänger bei seiner Rückkehr in die weißblaue Heimat nämlich mit einer solchen Beharrlichkeit, dass die Stimme des ansonsten äußerst freundlichen Steve Kuhn nach dem soundsovielten Telefonat irgendwann eine leichte Gereiztheit verriet. „Ich wollte nicht aufgeben, obwohl ich vorgewarnt war und wusste, dass er sonst nie mit Sängern spielt. Immerhin konnte ich ihn überreden, sich mal das Demo anzuhören, das ich ihm zuvor geschickt hatte.“ Ein paar Stunden später rief Kuhn tatsächlich von sich aus bei Philipp Weiss an und sagte ihm, dass er eine tolle Art zu singen habe. „Mein Demo fand er zwar nicht so doll, aber meine Titelvorauswahl für die angepeilte Balladen-CD behagte ihm sehr.“ Also wurden die beiden handelseinig. Die Bedingungen, die der Pianist dem jungen Sänger diktierte, haben Philipp Weiss allerdings erst einmal kräftig schlucken lassen. „Er sagte mir: ‚Wenn Du scattest, bin ich draußen. Und noch was: ich akzeptiere keine Proben!‘ Philipp Weiss lacht, als er das erzählt. Damals aber war ihm nicht danach zumute. Schließlich gilt er als Perfektionist, als überpenibel. Der 33-Jährige will auf alle Situationen möglichst immer bestens vorbereitet sein und nichts, oder sagen wir lieber wenig dem Zufall überlassen. „Aber ich habe völlig ausgeblendet, dass ich so etwas wie ohne zu proben ins Studio zu gehen, normalerweise nie tun würde. Was die ungewohnte Situation für mich bewirkt hat? Ich vertraue jetzt viel mehr dem Augenblick. Früher hat mein Lehrer mal zu mir gesagt: ‚Philipp, jetzt ist der Punkt gekommen, an dem du loslassen musst.‘ Aber erst jetzt habe ich meine Lektion gelernt.“ In einem kleinen Downtown-Studio in der Greene Street hat sich der Absolvent des Richard Strauss Konservatoriums seinen Traum erfüllt und mit Steve Kuhn und seinem regulären Trio (David Fink, Bass und Billy Drummond, Schlagzeug) und Gastsolisten wie dem Trompeter Lou Soloff, dem Flügelhornisten Tim Bolden und dem Tenoristen Eric Alexander die Tonspuren gefüllt. Jetzt wurde sein „You Must Believe in Spring“ vom Branchenriesen Universal veröffentlicht. Um Weiss’ glasklaren, eleganten, sehr maskulinen und sinnlichen Bariton, der auch mal Ausflüge in die luftigen Höhen anderer Tonlagen unternimmt, drapieren Kuhn und seine Mannen mollige Klangfarben. Wäre nicht verwunderlich, wenn der Sänger mit diesem Werk den Durchbruch schafft, denn so etwas wie ihn, also einen klassischen Crooner, gab es hierzulande eigentlich noch nicht. Seine Plattenfirma hat ihn jetzt auch noch auf eine Compilation namens „Famous“ gepackt, die den Durchstarter in prominenter Gesellschaft präsentiert. Jamie Cullum, Harry Connick Jr. oder Al Jarreau sind die anderen Mikrofonkünstler auf der CD. „Wahnsinn!“, triumphiert der Vokalist. „Über Al Jarreau bin ich zum Scat-Gesang gekommen. Mit meinem Idol nun auf einer CD zusammen zu erscheinen, ist ein Glücksgefühl.“ Während Philipp Weiss nun gerade die ersten Jubel-Rezensionen genießt, arbeitet er schon mit Hochdruck an seinem nächsten Album. „You Must Believe in Spring“ enthielt bis auf eine Eigenkomposition nur Standards. Beim kommenden Werk soll der Großteil des Materials aus der Feder des Sängers stammen, der dann vielleicht zeigen kann, dass er nicht nur in puncto Stimmbandbeherrschung ein As ist. Text/Foto: Ssirus W. Pakzad |
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