Die gebürtige Engländerin Jenny Evans ist in ihrem Wohnort
München, wo sie seit über 25 Jahren lebt, inzwischen eine Legende.
Multitalentiert und -interessiert wie sie ist, geht sie bis heute ihren
ganz eigenen Weg, so auch mit ihren CD-Produktionen, die seit 1996 bei
enja erscheinen. Präsentierte sie sich auf „Shiny Stockings”
noch als die coole Diva in der Tradition von Anita O’Day, fügte
sie auf den Folgeproduktionen „Girl Talk” und „Gonna
Go Fishing” immer weitere interessante Facetten ihres Könnens
hinzu: die der swingenden Live-Performerin oder die der Neuinterpretin
weltmusikalischer Raritäten, etwa von Rabih-Abou Khalil. Auf ihrer
neuesten CD „Nuages” geht die Evans noch einen Schritt weiter:
sie besinnt sich auf ihr europäisches Erbe und erfindet so unterschiedliche
Titel wie Noel Cowards „Mad About The Boy”, George Harrisons
„Within You, Without You” oder John Dowlands „Flow My
Tears” aus dem 17. Jahrhundert neu.
Jazzzeitung: Das ist ja eine ziemlich wilde Mischung, die auf
deiner neuen CD zu finden ist – sozusagen von Orff über Peter
Kreuder bis Shakespeare. Was hält, deiner Meinung nach das Ganze
zusammen?
Jenny Evans: Der Oberbegriff über allem sind europäische
Kompositionen aus vier Jahrhunderten, doch jedes einzelne Lied ist anders,
aber dadurch dass wir die Nummern gemeinsam erarbeitet, arrangiert haben
(Walter Lang am Piano, Mulo Francel, sax, bcl; Chris Lachotta, b; Rudi
Martini, dr; Robert Kainar, perc), ergibt sich doch eine Linie durch die
Interpretationen, die Spielweise, den gemeinsamen Geist sozusagen. Rudi
Martini, der nicht nur ein höchst sensibler Drummer ist, sondern
meine CDs seit Jahren produziert, hat durch seinen unbeirrbaren Geschmack
sehr zum Gelingen der CD beigetragen.
Jazzzeitung: Wer hatte die Idee, hast du alle Titel ausgewählt,
wie kann man sich den Entstehungsprozess vorstellen?
Evans: Auf der Suche nach neuem Material bin ich eigentlich immer.
Irgendwann dachte ich, es gibt so viele tolle europäische Komponisten
– auch aus der klassischen frühen Musik –, warum nicht
einmal diese wunderbaren Stücke aus ganz verschiedenen Epochen zusammenführen,
da kann man dann auch Komponisten wie Dusko Goykovich featuren, wie mit
dem von mir getexteten „No Love Without Tears“. So ist diese
Idee langsam herangereift. Und eine Balladen-CD wollte ich zudem auch
schon immer machen.
Jazzzeitung: Es gibt aber auch Standards von englischen Komponisten,
die auf dieser Platte nicht auftauchen…
Evans: Ich weiß, mir sind Texte eben auch sehr wichtig, „Cherokee“
zum Beispiel ist von einem Engländer komponiert worden, aber die
Lines sind eben nicht gerade berauschend… Die Melodie und der Text
sollten gleichwertig sein, homogen.
Jazzzeitung: Dabei bist du nie auf eine bestimmte musikalische
Richtung festgelegt, Klassik steht bei dir neben Jazz, oder?
Evans: Meine Familie ist unglaublich musikinteressiert. So habe
ich die ganze Palette mitbekommen: Mein Vater steht auf Rock’n’Roll,
meine Mutter eher auf die ruhigeren Sachen, mein Bruder ist ein Stones-Fans.
Und ich hatte von Anfang an großes Interesse für die klassische
Musik, was meine Eltern auch sehr gefördert haben. Gesungen habe
ich zwar immer, aber der Jazzgesang kam erst in der Münchner Zeit
dazu. Aber ich habe mich immer mit Musik beschäftigt, deshalb fiel
es leicht, Material umzuformen, auf mich zuzuschneiden, ich bin eben immer
auf der Suche nach Neuem, Außergewöhnlichem.
Jazzzeitung: Wie hat es im Studio geklappt, wie war die Zusammenarbeit?
Evans: Wir arbeiten wunderbar zusammen, es gibt keine Ego-Trips,
man tauscht Ideen aus, jeder akzeptiert die Meinung des anderen. Ich bin
sehr glücklich, dass wir so kreative Musiker wie Mulo Francel und
Walter Lang gewinnen konnten. Dieses Gefühl, miteinander und füreinander
zu agieren, ist auf der CD zu hören.
Interview: Ursula Gaisa
CD-Tipp
Jenny Evans: Nuages, enja ENJ-9467 2
Tourtermine
28.8.: München, Theatron
18.9.: München, Unterfahrt
2.10.: München, Café Deller
8.10.: Unterschleißheim, Bürgerhaus
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