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Großer Andrang beim diesjährigen JazzMarathon des Kulturkaufhauses Dussmann in Berlin: Nicht nur die dargebotene Musik, auch die prädestinierte Lage im Zentrum von Berlins gehobener Einkaufsmeile Friedrichsstraße und der freie Eintritt trugen dazu bei. Während sich am Samstag noch viele Einkaufstaschen im Publikum breit machten, war es am Sonntag etwas leerer; die Mehrheit der Zuhörer schien sich an diesem Tage zielgerichtet des Jazz willen auf den Weg gemacht zu haben. Mit rund 50.000 Besuchern wurde die Veranstaltung von Dussmann als „voller Erfolg“ verbucht. An zwei Tagen boten 30 Formationen vielfältigen Jazz auf überraschend hohem Niveau. Ein Höhepunkt des ersten Abends war das auf der Freiluftbühne
gastierende „Thärichens Tentett“ aus Berlin um den Komponisten,
Arrangeur und Pianisten Nicolai Thärichen. Umgebende Bierstände
und Verkaufsbuden wurden vergessen, als der humorvolle Sänger Michael
Schiefel eine Karikatur seines großen Kollegen Frank Sinatra lieferte
oder das Schlagzeug imitierte. Ausgefeilte Arrangements und Mut zum Experiment
wurden gezeigt. Die kleine Bühne in der Klassik-Abteilung des unteren Dussmann-Stockwerks bot einen idealen Rahmen für kleine Formationen und kammermusikalische Darbietungen. Auffallend junges Publikum zog das Quartett um den Saxophonisten Ignaz Dinné an, das Standards wie „Body and Soul“, aber auch Eigenkompositionen spielte. Das Stück „Südstern“ hat der Saxophonist nach seiner Kreuzberger Wohngegend benannt. Fragt sich bloß, ob Dinné dort wirklich gerne wohnt, denn die Komposition mit ihrem schweren Viervierteltakt klang verdächtig nach Trauermarsch. Auf der Bühne am Wasserfall bemühte sich unterdessen ein gut aussehender, im lässigen Chic gekleideter Sänger nach Kräften um die Wiederbelebung des Blues. Felix Zöllner heizte seinem Publikum mit Blues und Boogie der kräftigen Machart ein, wobei er sich auch gekonnt der Bluesharp bediente. Seinem Aufruf zum Tanz wurde allerdings nicht nachgekommen. Nur ein älterer, braungebrannter Herr im Muskelshirt schwenkte agil Becken und Beine. Auch avantgardistischen Klängen verschloss sich der JazzMarathon nicht, wie der Auftritt des „Tim Sund Trio“ zeigte. Das Klaviertrio um den Pianisten Tim Sund spielte neben Standards wie George Gershwins „I love you Porgy“ auch völlig freie Kollektivimprovisationen mit lang andauernden, intensiven Spannungsbögen. Ein ganz anderes Repertoire gab die sechsköpfige Gruppe „Taktlos“ zum besten, die souverän zwischen Dixie, Country, Blues und Folk wandelte. Stellenweise wurde „Taktlos“ etwas zu bierselig – auch die Witze über Frauen erschienen reichlich überflüssig – , aber das Publikum genoss den sonnigen Abend und lachte über den Berlin-brisanten Gassigeh-Song „Walking the Dog“. Bereits zum dritten Mal fand der JazzMarathon von Dussmann statt. In der von Sparzwängen nicht nur im kulturellen Bereich gebeutelten Stadt hat er sich als wichtiges Ereignis etabliert. Ein Event, das auf die Vielseitigkeit des Jazz aufmerksam macht und zeigt, dass gute und anspruchsvolle Musik durchaus auch größere Menschenmengen anzuziehen vermag. Antje Rößler |
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