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Wenn man als Sammler im Laufe der Jahre eine beachtliche Anzahl an Platten zusammengetragen hat, ist man natürlich immer wieder auf der Suche nach LPs, die man versäumt hat zu kaufen. In den 1950er- und 1960er-Jahren gab es aber auch viele kleine Label in den USA, die nie den Weg nach Europa fanden, und es macht Spaß, auf dem Second-Hand-Markt danach zu suchen. So bin ich in einem Antiquariat auf die folgende Platte gestoßen: Decca Records DL 4235 Indigo: Jimmy Drew: Playing and Singing HIS Blues One Room Country Shack / Baby Lou / Willie Jean / Mile And A Quarter / Greegree / Confessin’ The Blues / Kissin’ Don‘t Last (But Cooking Do) / You’ve Got To Love Her With A Feeling / Society Red / Blue City / A Parisian Thouroughfare / Born To Be Blue / The Set Up Durch den Plattentitel neugierig geworden, wollte ich den mir unbekannten Musiker anhören, bevor ich die LP kaufen würde. Schon beim ersten Stück (One Room Country Shack) wurde ich stutzig, hier lief doch eine falsche Platte, das war eindeutig Mose Allison. Nach wenigen Takten war ich dann nicht mehr so sicher, aber das Vorbild „Allison“ prägte Piano-Stil und Gesang. Dann las ich erst einmal in Ruhe die umfangreichen Liner Notes, geschrieben übrigens von Leonard Feather, und hier gibt Jimmy Drew auch Mose Allison als eine seiner wichtigen Inspirationen an. In einigen Titeln kommt er zwar seinem Idol verblüffend nahe, aber er bietet keine Kopie dieses später dann so erfolgreichen Musikers. Jimmy Drew bringt auch viel Eigenständiges in seine Musik ein. Er hat etwa die Hälfte der Stücke selbst geschrieben, interpretiert aber auch Confessin‘ the Blues von Walter Brown/Jay McShann und You‘ve Got To Love Her With A Feelin‘ von Freddy King/Sonny Thompson. Diese erste Seite der LP wird dem Titel „Playing and Singing HIS Blues“ gerecht und hat trotz der Anlehnung an Mose Allison eine eigene Handschrift. Sein Piano-Spiel ist zwar tief verwurzelt im Blues, lässt aber auch die swingende Leichtigkeit eines Wynton Kelly einfließen. Sein Gesang ist absolut lässig und abgesehen von seiner Nähe zu Mose Allison sehr eigenständig. Die eigentliche Überraschung ist jedoch die Seite zwei der LP. Hier entpuppt sich Jimmy Drew als hervorragender BeBop-Pianist. Nicht nur, weil er ein Stück von Bud Powell spielt (Parisian Thouroughfare), auch seine eigenen Kompositionen stehen ganz in der Bop-Tradition. Vor allen Dingen der Titel „The Set Up“ ist eine tiefe Verbeugung vor Bud Powell, Tadd Dameron und anderen Bop-Pianisten. Ich habe die Platte natürlich gekauft, über die Jahre immer wieder gehört und versucht, mehr über den Pianisten Jimmy Drew zu erfahren. Leider gibt es kaum biographische Informationen. 1961 hat er einmal kurz im Birdland in New York gespielt, war in lokalen Begleitbands von namhaften Solisten, hat aber keine Aufnahmen mit ihnen gemacht. Nach der hier besprochenen LP auf Decca hat er noch eine weitere Platte mit der Gruppe „Fat Cat And The Bearcats“ in einer klassischen Dixieland-Besetzung (1968) aufgenommen und dann, nach langer Pause, ist unter seinem Namen eine Quartet-LP mit dem Saxophonisten Rick Margitza erschienen (1984). Hier beweist er sein Können in einer modernen Hardbop-Formation mit einem leichten Latin-Touch. Seither verliert sich seine Spur. Es sind keine weiteren Aktivitäten zu finden. Bedauerlich, dass ein so begabter und vielseitiger Musiker, dessen musikalisches Spektrum vom erdigen Blues über Dixieland bis hin zum Modern Jazz reicht, gerade einmal auf drei LPs dokumentiert wird. Auch wenn der große Leonard Feather im Cover-Text dieser ersten Platte Jimmy Drew eine große Zukunft voraussagte. Klar, dass diese LP nie wieder aufgelegt wurde, geschweige denn als CD erschienen ist. Immerhin taucht sie gelegentlich gebraucht auf und ist sogar meist erschwinglich. Wer kennt schon noch Jimmy Drew. Manfred Scheffner |
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