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Jazzzeitung
2012/03 ::: seite 5
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Seine Musik finden
SWR-Jazzpreis für den Bassisten Manfred Bründl
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Der Kontrabassist Manfred Bründl erhält den mit 15.000 Euro dotierten SWR-Jazzpreis. Mit dem Musiker, der seit 1996 eine Professur an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar innehat, sprach Juan Martin Koch
JazzZeitung: Herzlichen Glückwunsch zum SWR-Jazzpreis! Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie davon erfahren haben?
Manfred Bründl: Pure Freude, ich war sprachlos und sehr beeindruckt. Ich sehe den Preis auch als Anerkennung für die Kontinuität, mit einer Formation – „Silent Bass“ – über einen langen Zeitraum zu arbeiten. Das gibt mir die Kraft und den Mut, weiterzumachen.
Manfred Bründl
JazzZeitung: Bassisten sind vielleicht der Prototyp des „musician’s musician“, als jenes Musikers, der unter seinesgleichen und von Fachleuten hoch-, vom breiten Publikum aber eher unterschätzt wird. Liegt das in der Natur seiner Funktion im Jazzkontext?
Bründl: Sicher, aber die Position des Bassisten hat sich ja grundlegend verändert; es gibt starke Tendenzen dahin, dass Bassisten eine ganz andere Funktion ausüben als die des Sideman. Ich verstehe mich als eine Stimme, die vor allem auch durch die Komposition und die daraus entstehende verlangsamte Improvisation die Farben und die Struktur innerhalb der Formation prägt. Für mich sind Melodien und harmonische Zusammenhänge wichtig, nicht das möglichst spektakuläre virtuose Solospiel.
JazzZeitung: Ausschlaggebend dafür, dass Sie den Preis bekommen haben, war unter anderem Ihre jüngste CD „Tip of the Tongue“, eine Hommage an den 1973 tragisch verunglückten Bassisten Peter Trunk. Wie kam es zu dieser Idee und wie haben Sie diese umgesetzt?
Bründl: Peter Trunk war schon immer präsent für mich. „Page One“ und „Page Two“, die Aufnahmen mit dem New Jazz Trio, gehörten zu den ersten LPs, die wir im Haus hatten. Als Schüler konnte ich das natürlich gar nicht verarbeiten, aber eine erste Faszination war da. Der Name Peter Trunk hat mich stets begleitet, auch während des Studiums, und als ich mich im Rahmen eines Forschungssemesters mit europäischen Bassisten der Nachkriegszeit beschäftigte, lief es immer wieder auf Peter Trunk hinaus. Aus der Arbeit in Archiven und den Gesprächen mit Zeitzeugen hat sich dann ein Puzzle zusammengesetzt; Fragmente daraus sind in meine Kompositionen für die CD eingeflossen, die aber keine Arrangements von Trunk-Stücken sind. Es tauchen lediglich – ähnlich den Kurzauftritten Hitchcocks in seinen Filmen – kurze Reminiszenzen an Peter Trunks Musik auf. Ich wollte, inspiriert von ihm und seiner Lebensgeschichte, meine eigene Stimme, meine eigene Musik finden.
JazzZeitung: Wenn man dem Booklettext Glauben schenkt, wollen Sie Ihr Album auch als Statement verstanden wissen gegen die Geschichtsvergessenheit der Jazzszene…
Bründl: Ich bin kein Prediger, aber ich finde, dass es vergessene Stimmen gibt, die es wert sind, wieder Gehör zu finden, gerade auch, was den europäischen, den deutschen Jazz angeht. Es ist ein Zeichen unserer Zeit, dass es einen Hype um bestimmte Trends gibt, die auch mit den Diktaten der großen Plattenfirmen zu tun haben. Dem etwas entgegenzusetzen, ein Bewusstsein zu schaffen für die europäischen Traditionen des Jazz, auch dafür ist – so scheint es mir – der SWR-Jazzpreis eine Anerkennung.
JazzZeitung: Sie sind nun seit über 15 Jahren Professor an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar. Hat dem Jazz die akademische Institutionalisierung gut getan?
Bründl: Schwer zu sagen… Was die handwerkliche Ausbildung, aber auch das Wissen um die Wurzeln betrifft, haben die Hochschulen zweifellos viel bewirkt. Aber gibt es deswegen auch mehr Individualisten und Charakterköpfe? Diese Frage kann ich nicht unbedingt positiv beantworten. Man kann auch ohne akademische Ausbildung Musik schaffen, die etwas bedeutet. Ich bin da mittlerweile weit weg von dogmatischen Ansichten, wie ich sie vielleicht vor 20 Jahren noch hatte.
JazzZeitung: Der Jazz geriet Anfang des Jahres etwas überraschend in die Feuilletons. Mangelnde „Relevanz“ wurde ihm vorgeworfen, gleichzeitig schaffte es das Thema Jazzförderung in eine Plenarsitzung des Bundestages, die Union Deutscher Jazzmusiker setzt sich für Spielstättenförderung und bessere Exportchancen für deutsche Jazzer ein… Wie geht es dem deutschen Jazz?
Bründl: Ich bin kein Analyst, was das angeht, kenne auch nicht jeden Winkel, aber ich vermute, dass kleine Veranstalter und Clubs Probleme haben, weil es über viele Jahre versäumt wurde, ein neues Publikum zu gewinnen. Hier müsste viel stärker in den Schulen gearbeitet werden, es reicht nicht, die Wettbewerbe „Jugend jazzt“ auszutragen. Vielleicht kann hier auch improvisierte Musik jenseits des akademischen Mainstream-Jazz etwas bewirken.
- CD-Tipp
Manfred Bründl & Silent Bass: Tip of the Tongue
Laika-Records
Konzerttermine unter: www.manfredbruendl.de |