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Am Vorabend seiner Rückreise in seine Wahlheimat Brooklyn singt Stefan Bauer ein Loblied auf die Provinz. Soeben war er mit seiner „Voyage“-Band in Deutschland auf Reisen, und bewusst hat der Vibraphonist die kleineren Lokalitäten angesteuert – und war begeistert. Stefan Bauer Wir waren gestern Abend noch in Iserlohn in der Fachhochschule Südwestfalen – und es war wunderbar. Nach meinem Set kam eine Frau aus dem Publikum und umarmte mich spontan.“ Es gebe hier in Deutschland beziehungsweise in Europa eine andere Hör-Kultur. Die Menschen gerade in kleineren Orten sind eben noch nicht so überfüttert und saturiert. Auch im Hertener Glashaus, wo Bauers Band einige Tage vorher abstieg, vollzog sich ein freudvolles zwischenmenschliches Nehmen und Geben. Seiner Heimat im Ruhrgebiet ist der einflussreiche Vibrafonist beziehungsweise „Mallet“-Spieler nach wie vor treu geblieben und er pflegt hier viele Kontakte. Musikalisch betrachtet ist Stefan Bauer vor allem ein Hörender. Noch als Kind hörte er sich die alten Jazzaufnahmen an. Der große Kick erfolgte beim Hören einer Benny Goodman-Aufnahme aus dem Jahr 1938, vor allem dem Drumbreak im Stück „Don`t be that way“, wo die Dramaturgie so intensiv spürbar überkocht. Dabei fand er erst spät zu diesem Instrument. Vor allem war es ein Konzert mit David Friedman und Double Image, das ihn einst so nachhaltig gepackt hatte. Bauers intensive Neugier verhalf ihm auf Anhieb zu einem Spontan-Lehrgang mit David Friedman – und es war um ihn geschehen. Aber es ist vor allem eine große immerwährende Neugier aufs Leben, die notwendig ist, um überhaupt Musik zu machen. Stark ist sein Fernweh und ungebrochen die Lust, zwischen zwei Sphären zu pendeln. Reisen wollte er immer zu. Eine Afrikatour auf Initiative des Goethe-Instituts zählte zu seinen prägenden Erlebnissen mit Musik. In New York schätzt er die Lässigkeit, mit der hier Musik gemacht wird. Überall liegt etwas davon in der Luft und alles findet so spontan und selbstverständlich statt. Aber New York, sowie Brooklyn im Besonderen, ist für Stefan Bauer genau dann besonders attraktiv, wenn es hier mal in kleiner Nische richtig „provinziell“ zugeht. Etwa, wenn in einem winzigen Theater eine Handvoll enthusiastischer Besucher schließlich selbst gebackenen Kuchen serviert bekommt. Stefan Bauer hat mit so vielen zusammen gespielt – darunter sind Claudio Puntin, Charlie Mariano, Helge Schneider, Kenny Wheeler, Matthias Nadolny, Ansgar Striepens und Paul McCandless. Sein aktuelles Herzensprojekt ist neben der „Voyage“-Band das Duo mit dem Pianisten Vadim Neselovskyi. Einen genauen Überblick über die Aufnahmen, wo er mitspielt, hat er kaum noch. Das ist für ihn auch nicht wesentlich, da die wahre Essenz dieser Begegnungen eh nicht auf Tonträger konservierbar ist. Das intensive Zusammenkommen zwischen Publikum und Musikern sowie den Musikern untereinander bleibt doch immer eine Primärerfahrung des Augenblicks. Und so will Stefan Bauers aktuelle Band „Voyage“ auch keine „Ego-Band“ sein, wo einzelne Musiker solistische Turnübungen machen. Vibraphon und Marimba fungieren meist als subtile Farbengeber. Das virtuose Spiel mit den vier Schlegeln, mit dem er so viel harmonischen, melodischen und perkussiven Reichtum in einen geschmeidigen Fluss zu bringen weiß, lenkt die kreative Vernetzung von Chris Bacas am Saxophon, Pepe Berns am Bass, Roland Schneider an den Drums sowie der israelischen Sängerin Michal Cohen. Indiens Musikkultur ist in den Stücken sehr präsent. Diese unstete, komplexe Rhythmik in Verbindung mit dieser typisch indischen einstimmigen Melodik bringt alles so enthusiastisch in Fahrt. Michal Cohens dunkles Timbre ist nicht nur für sinnliche Jazzphrasierungen, sondern auch für ebensolche orientalische Vokaleffekte gut. Oft im Dialog mit Chris Bacas erdigem Saxofonsound. Diese Durchlässigkeit zwischen indischer, oder sagen wir weltläufig „urbaner“ Musik-Wirklichkeit und einem reflektierten Jazzidiom mutet so plausibel, so erfrischend „open minded“ an. Eben wie von jemand gemacht, der das Leben zu spüren weiß. Und Stefan Bauer ist noch ein weiteres Credo ganz wichtig: Immer an den Hörer denken! Ohne gefühltes Leben kann keine echte Musik existieren, sagt Stefan Bauer. Und im harten Existenzkampf des New Yorker Lebens beide Beine am Boden zu behalten, ist forderndes Beispiel genug von „das Leben spüren“. Stefan Pieper |
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