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Jazzzeitung

2012/03  ::: seite 13-14

rezensionen

 

Inhalt 2012/03

Inhaltsverzeichnis

Sternlein STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Jazz-ABC: Vernon Reid no chaser: Gleichgültigkeitserklärungen (1) Farewell: Abschied vom zu Unrecht vergessenene Hal McKusick

Sternlein TITELSTORY: Die Elfe und der Bär
Gretchen Parlato und Gregory Porter

Sternlein GESCHICHTE -
Als das Xylophon zu Swingen anfing
Red Norvo, Pionier der Mallets
Als die Gitarre verstärkt wurde
Basies Weggefährten (5): Eddie Durham – Posaunist, Gitarrist, Arrangeur, Komponist

Sternlein Berichte
White City Music Festival im Hafen von Tel Aviv // Lehrer Big Band Bayern in Brasilien // Christian Muthspiels Yodel Group im Neuburger Birdland //43. Jazzwoche Burghausen // Cape Town Jazz Festival 2012 // Streiflichter auf die Jazzahead 2012

Sternlein Portraits
Stefan Bauer und die „Voyage“-Band// Bassist Manfred Bründl //Sängerin Jenny Evans im Gespräch // „Oregon“ // Komponist und Trompeter Verneri Pohjola // Thilo Wolf Big Band // Sängerin Lisa Wahlandt

Sternlein Jazz heute und Education
Mathias Eick gewinnt den BMW Welt Jazz Award 2012 //Erfolgsgeschichte: Kooperation zwischen AUDI und Birdland Jazzclub// Abgehört: Die Geige gehört einfach dazu
Jörg Widmosers Solo über Ceora

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Frankreich und der Jazz

Eine kleine Einführung in aktuelle Aufnahmen

Frankreich ist eines der seltenen Länder in Europa, wo der Jazz unabhängig von allen Grausamkeiten der Geschichte – gesellschaftlich in den letzten 80 Jahren eine wichtige Rolle gespielt hat und auch heute in der Akzeptanz durch die Menschen/das Publikum, die öffentlichen Sponsoren, die Medien weitgehend auf gleicher Augenhöhe mit anderen Kulturbranchen steht.

Stéphane Oliva: Film Noir (Illusions) www.illusions.fr (limitierte Auflage)

Stéphane Oliva: Film Noir (Illusions) (limitierte Auflage)

Da ist zunächst die Kunst des Klaviers, die inzwischen weit über Martial Solal hinausgeht, mit Namen wie Francois Raulin, Francois Couturier, Jean-Pierre Machado, Bojan Z und Stéphane Oliva belegen. Im vergangenen Jahr hat Oliva mit zwei CDs seine Liebe zum klassischen Film nachgewiesen, den beiden Solo-Aufnahmen „Film Noir“ und „after noir (piano gone) portraits“. Berühmte Filme von John Huston, Billy Wilder, Charles Laughton oder Robert Wise stehen auf dem Programm der ersten Aufnahme. Und Oliva interpretiert die zum Teil beklemmenden, aufregenden, nachdenklichen Bilder auf seine perfekte Art. In der zweiten greift er sich Porträts bestimmter Schauspieler heraus, von Robert Ryan und Piper Laurie geht es in eine siebenteilige Suite, die sich mit Robert Mitchum, Humphrey Bogart und anderen auseinandersetzt.

Ein anderes Beispiel der außergewöhnlichen Aktualität ist der Cellist Vincent Courtois, in der hiesigen Szene vor allem bekannt geworden durch die ECM Projekte mit Louis Sclavis. Er praktiziert das Cello von dem klassischen Auftreten bis hin zu Ausbrüchen, die früher Jimi Hendrix vorbehalten waren. Gerade diese Bandbreite wird deutlich in seiner Quartett Aufnahme „Live in Berlin“ aus dem Jahr 2010 bei dem JAZZ DOR in Berlin. Mit dabei sind Jeanne Added, Gesang, Yves Robert, Posaune, Francois Merville, Schlagzeug und der Tontechniker Gilles Olivesi, der die Electronics einiger Musiker immer auf den richtigen Stand bringt. Der Hendrix-Effekt ist von Anfang an da, jeder Ton sitzt, keine unnötigen Abweichungen.

Klänge aus einer anderen Welt, mit einem deutlichen kammermusikalischen Ausgangspunkt entwickelt dann das Trio um Courtois mit Guillaume Roy (Viola) und Claude Tchamitchian (Bass). Unter dem beeindruckenden Titel „Amarco“ ereignet sich eine lyrische Auseinandersetzung mit der Erinnerung an die Poesie, deren Interpretation und Begleitung im französischen Jazz, vor allem aber bei Vincent Courtois oft eine große Rolle spielt.

Auch die nächste Aufnahme „noir lumière“ vermittelt von der ersten Sekunde einen Ausflug in die Poesie. Dieses Mal ist der Baritonsaxophonist Francois Corneloup der Chef, begleitet von der Bassistin Hélène Labarrière, in deren Band er oft zu hören ist, und der Schlagzeuger Simon Goubert. Die Dunkelheit ist die Grundlage, in der sich die Musiker virtuos oder voll Melancholie, aber immer auch spannungsgeladen tummeln, ein sehr beredtes Beispiel der Qualität im französischen Jazz.

Die Bildhaftigkeit der Musik ist in diesem oft sehr ausgeprägt, so auch bei der ganz neuen Aufnahme „Pluir“ des großen, 19-köpfigen Kollektivs mit dem schönen Namen Collectif Surnatural, das das Orchester „Surnatural Orchestra“ nennt. Was ist das, die Übernatürlichkeit in der Musik? Nach einem aufregenden Gang „Erbarmen/pitié“ bis „Party Party“ (also doch sehr gegenwärtig) und „Advance“ (Voran) weiß man eigentlich gar nichts mehr. Ist das die Gegenwart?

Das Mitglied der sehr aktuellen Musikerinitiative „Coax“ in Paris, der Perkussionist Yann Joussein, zeigt die Vielfalt seiner Kunst mit herkömmlichem Schlagzeug, Elektronics und vielem mehr in einem sehr beachtlichen Ausflug von 53 Minuten, auch er wieder ganz bewusst bildhaft und erzählend, „Phoque Eventre“.

Und er ist auch dabei, und zwar sehr deutlich zu vernehmen, bei der neuen Aufnahme des Quartetts Retroviseur, „Rückspiegel“. Mehrfach war das Quartett in den letzten beiden Jahren in Deutschland zu hören, immer wieder begeisternd. Und das wird so weitergehen.

Hans-Jürgen von Osterhausen

Diskografie

  • Stéphane Oliva: Film Noir (Illusions) www.illusions.fr (limitierte Auflage)

  • S.Oliva: after noir (pianogone)
    portraits, sansbruit ssr013,
    www.sansbruit.fr
  • Vincent Courtois Quartet: Live in Berlin (Triton)
    www.vincentcourtois.com
  • roy courtois: amarco
    (Émouvance ´mv 1032)
  • Francois Corneloup: noir lumière (Innacor inna 31003)
  • surnaturalo orchestra: PLUIR (COLLSUR 1113)
    www.surnaturalorchestra.com
  • Yann Joussein: Phoque Éventre (coax records, coax 003yan1)
  • Retroviseur: Rückspiegel (coax records, coax 008ret2)
    www.collectifcoax.com

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