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Jazzzeitung

2012/03  ::: seite 16

rezensionen

 

Inhalt 2012/03

Inhaltsverzeichnis

Sternlein STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Jazz-ABC: Vernon Reid no chaser: Gleichgültigkeitserklärungen (1) Farewell: Abschied vom zu Unrecht vergessenene Hal McKusick

Sternlein TITELSTORY: Die Elfe und der Bär
Gretchen Parlato und Gregory Porter

Sternlein GESCHICHTE -
Als das Xylophon zu Swingen anfing
Red Norvo, Pionier der Mallets
Als die Gitarre verstärkt wurde
Basies Weggefährten (5): Eddie Durham – Posaunist, Gitarrist, Arrangeur, Komponist

Sternlein Berichte
White City Music Festival im Hafen von Tel Aviv // Lehrer Big Band Bayern in Brasilien // Christian Muthspiels Yodel Group im Neuburger Birdland //43. Jazzwoche Burghausen // Cape Town Jazz Festival 2012 // Streiflichter auf die Jazzahead 2012

Sternlein Portraits
Stefan Bauer und die „Voyage“-Band// Bassist Manfred Bründl //Sängerin Jenny Evans im Gespräch // „Oregon“ // Komponist und Trompeter Verneri Pohjola // Thilo Wolf Big Band // Sängerin Lisa Wahlandt

Sternlein Jazz heute und Education
Mathias Eick gewinnt den BMW Welt Jazz Award 2012 //Erfolgsgeschichte: Kooperation zwischen AUDI und Birdland Jazzclub// Abgehört: Die Geige gehört einfach dazu
Jörg Widmosers Solo über Ceora

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Von den vergessenen Akkorden

Peter Herborns Harmonielehre inklusive CD

Sogenannten „vergessenen Akkorden“ widmet Peter Herborn seine jüngste Publikation. Klar dabei ist: Bestimmte Akkordtypen sind nicht neu; in Vergessenheit geraten oder schlicht ungebräuchlich sein können sie dennoch. Herborn legt so den Fokus auf die Systeme Harmonisch Dur und Moll, die sich daraus ergebenden Skalen und Akkorde sowie deren differenzierte und eindeutige Benennung – ein in der Jazznotation mitunter vernachlässigter Aspekt.

Parallel zum Buch erscheint eine CD, auf der neun eigens für den Einsatz der „vergessenen Akkorde“ komponierte Stücke die Theorie klanglich darlegen. Eingespielt wurden diese vom „Question Quartett“, vier Studenten Herborns, der das Material des Buches schon lange im Theorieunterricht an der Folkwang Universität der Künste unterrichtet.

„The forgotten Chords“ wendet sich aufgrund der spezifischen theoretischen Kapitel an fortgeschrittene Interessenten, wenngleich die für das Verständnis notwendigen Grundlagen anfangs ihren Platz finden. Die einleitenden Kapitel geben einen kompakten Überblick über Harmonisch Dur und Moll, deren seltenen Einsatz im traditionellen Jazz und sind somit grundlegend für das Verständnis des theoretischen Gegenstandes. Kirchentonarten, Skalen sowie Voicing sind ebenfalls Themen der einleitenden Formulierungen und bilden die Grundlage für das Verständnis der folgenden Kapitel. Somit wird auch unerfahrenen Lesern die Möglichkeit gegeben, sich mit der titelgebenden Theorie auseinanderzusetzen, Hilfreich dabei sind die zahlreichen Notenbeispiele. Überleitend wird die seltenere Verwendung von Akkorden der Kirchentonarten sowie Harmonisch Moll in gängigen Jazzkadenzen beschrieben.

Das theoretische Herzstück des Buches beginnt im dritten Kapitel und thematisiert die Systeme der Kirchentonarten, Melodisch Moll, Harmonisch Moll und Harmonisch Dur. Einheitlich vom Ton C als Grundton ausgehend werden die sieben möglichen Stufen und Skalen der Systeme akribisch benannt, jeder Stufe wird ein spezifisches Akkordsymbol zugeteilt. Der Verständlichkeit der theoretischen Beschreibungen kommen die konsequent hinzugefügten Notenbeispiele zugute, die Akkordtyp und Voicing der jeweiligen Stufe einmal in Bezug auf den entsprechenden Skalenton und den Grundton C notieren. Jedes Beispiel gewährleistet somit eine Verständniskontrolle am konkreten Notenbild. Während die Skalen- und Akkordbenennungen im Falle der Kirchentonarten aus der gängigen theoretischen Literatur bekannt sind, wird im Falle der anderen beschriebenen Systeme das Ziel der Publikation deutlich. Peter Herborn zeigt, dass die selten gebrauchten Systeme Melodisch Moll sowie Harmonisch Dur und Moll einen ebenso unkonventionellen wie reichhaltigen Vorrat an Skalen hervorbringen.

Aus diesen resultieren ebensolche Akkorde, die bis auf vereinzelte Ausnahmen konkret benannt sind. Resümierend sind die sich ergebenden Akkorde in sechs Kategorien zusammengefasst: Majorseptakkorde, Dominantseptakkorde, Mollmajorseptakkorde, Mollseptakkorde, halbverminderte Akkorde und vollverminderte Akkorde. Insgesamt ergibt Herborns Theorie 31 Skalen und 34 Akkordsymbole aus dem Material der erweiterten Diatonik.
Die neun Stücke der beiliegenden CD tragen ihren Teil zur Anschaulichkeit des Inhalts bei. Die Kompositionen beinhalten beinahe alle herausgearbeiteten Skalen und Voicings, ohne sich dabei lediglich des dargestellten Materials zu bedienen. So wird auch deutlich, wie die „vergessenen“ Akkorde im Zusammenspiel mit gängigen Akkorden eingesetzt werden können. „Who remembers all decembers?“ mischt sogar im Wechsel chromatische mit konventionellen Akkorden. Die regelmäßigen Metren, auf denen die Vielzahl der Stücke – eingespielt von Piano, Tenorsaxophon, Kontrabass und Schlagzeug – basieren, bewirken, dass der Klangcharakter der umfassenden Verarbeitung des theoretischen Materials nicht zu sehr experimentell gerät. „Should she say so?“ erweckt den Eindruck einer jazzigen Ballade, mit „How can you?“ und „Where are we?“ sind Uptempo Swing-Stücke enthalten, die den Hörer allesamt nicht überfordern. Die Musik als „leicht verdaulich“ zu bezeichnen, würde ihr jedoch keineswegs gerecht und die komplexe theoretische Intention hinter den Kompositionen bleibt präsent.

Peter Herborn gelingt es, seine Theorie – nicht zuletzt durch den Tonträger – anschaulich zu vermitteln und verweist zugleich auf Defizite in der Jazztheorie. Das Buch bietet die Möglichkeit, den theoretischen Horizont zu erweitern und kann Komponisten den Anstoß geben, wenig gebräuchliche Skalen und Akkorde als Grundlage der eigenen Arbeit in Betracht zu ziehen.

Benjamin Burkhart

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