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Wenn sich vier Jazz-Gitarristen zu einem Quartett zusammentun, kann dabei leicht ein Album herauskommen, das sich nur Gitarren-Nerds anhören möchten. Paulo Morello, Helmut Kagerer, Andreas Dombert und ihr Stargast Larry Correll ist das Kunststück gelungen, das Gegenteil eines solchen Albums aufzunehmen. Weshalb? Weil sie sich nicht ausschließlich auf ihre gitarristischen Fähigkeiten verlassen. Die nämlich sind – ästhetisches Paradox! – sekundär für ein Gitarren-Album, das tolle, spannende Musik und keine Gitarristik als Selbstzweck bieten möchte. Wichtiger hierfür sind ausgefeilte Arrangements, Kompositionen und stilistische Vielfalt – der Rahmen also innerhalb dessen sich virtuose Soli und hohe Gitarrenkunst sinnvoll abspielen können. Und in dieser Hinsicht bietet „Night of Jazz Guitars“ eine Überfülle an gelungen Einfällen, die als Ganzes einen abwechslungsreichen Spannungsbogen für den Hörer ergeben – ob er nun besonders Gitarren-interessiert ist oder nicht. Stilistisch hat das Album alles zwischen aufwendig arrangierten Standards („Like Someone in Love“; Arrangement: Dave Plate) und Larry Coryells durchkomponierter „Fusion-trifft-Neue-Musik“ zu bieten. Da gibt es amtlichen Gitarren-Bebop in Close Harmony-Arrangements („Tadd‘s Delight“ und „Cookin‘ at the Continental“), aber auch brasilianischen Chorinho – Jacob Do Bandolims wunderbare „Noites Cariocas“ – zu hören, bei dem die Gibson-Gitarren auf einmal hell und klar wie Mandolinen klingen. „All The Things You Are“ löst das Quartett in ein kontrapunktisch strukturiertes Kollektiv-Solo aus sich überkreuzenden Lines auf – in Andreas Domberts Arrangement lassen aus der Ferne der Jazzgeschichte Lennie Tristano und Ornette Coleman grüßen. Eindrucksvoll abgedreht und technisch extrem herausfordernd geht es in Larry Coryells labyrinthischen Kompositionen zu: „They Loved You More In Paris“ – eine Hommage an den Saxophonisten Eddie Harris – beruht motivisch auf dessen „Freedom Jazz Dance“; „Tender Tears Theme & Variations“ klingt nicht nur wie ein Streichquartett – es war ursprünglich auch als ein solches komponiert. Außerdem gibt es von Larry Coryell, dem Komponisten und Solisten, noch einen lebhaften Gefängnisausbruch („Jailbreak“) und eine weitere, sehr schöne Version seiner Solo-Bearbeitung von Maurice Ravels „Bolero“ zu hören. Jeder der vier Gitarristen steuert solistische Glanzlichter bei. Besonders eindrucksvoll ist Helmut Kagerer mit seinem an Kosta Lucaks angelehnten, Flageolett-reichen Intro zu „Like Someone in Love“. Larry Coryell wiederum glänzt mit Legato-Figuren und nutzt Morellos Einladung, am Ende von „I Think It’s Too Late Now“ über einen e-Moll-Vamp sehr gekonnt und virtuos alles zu spielen – außer e-Moll. Im Kern sind sich alle vier ausreichend ähnlich und doch individuell genug, um ein gleichermaßen homogenes wie abwechslungsreiches Statement abzugeben. Vor allem sind sie hervorragend aufeinander eingespielt. Kagerer und Morello sind vielleicht etwas mehr im Bebop-gesättigten Jazz-Mainstream zu Hause. Dafür wartet Andreas Dombert mit einem tollen Ohr für neue, im besten Sinne poppige Klänge auf: Etwa im träumerisch leichten Instrumental-Kammer-Pop von „Koala“. Coryell wiederum hat schon lange nicht mehr so gut geklungen wie auf „Night of Jazz Guitars“, einem transatlantischen Projekt, das damit anfing, dass man sich gegenseitig über YouTube „auscheckte“, um in einer gemeinsamen Live-Tour mit anschließendem Studioaufenthalt zu münden. All das würde nicht so gut – und das heißt bei vier Gitarren vor allem transparent – klingen, wenn alle vier ständig ihr Lieblingsinstrument, eine Gibson L5, spielen würden. Deswegen wurde bei den Aufnahmen ständig gewechselt. Zu hören sind deswegen in verblüffender Klangvielfalt – zwischen elektrisch verstärkten und rein akustischen Klängen – unterschiedlichste Gitarren: Vom Klassikinstrument mit Nylsonsaiten über halbakustische Archtops bis hin zur Acoustic Steel String. Hervorragend abgemischt hat dies alles Joerg Mayr. Wer sich jemals mit nur einem verzweifelt klangnarzistischen Gitarristen darüber unterhalten hat, ob er nun diese oder jene aus einem halben Dutzend verschiedener Abmischungen verwenden soll, wird ermessen können, welch immense Studioarbeit hinter dieser begeisternden Quartett-Aufnahme steckt. Claus Lochbihler CD-Tipp „Night of Jazz Guitars“ fea. Larry Coryell, Paulo Morello,
Helmut Kagerer, Andreas Dombert |
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