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Sie werden nicht jünger, die Helden des Free Jazz. Auch nicht ein Sonny Simmons, der am 4. August immerhin schon 78 Jahre alt wird und trotzdem rastlos auf Tournee geht, eine CD nach der anderen, und eine besser als die andere, aufnimmt. Aber auch seiner Energie sind Grenzen gesetzt. Es gibt eben Tage, da geht nicht mehr viel. Einer dieser Tage, das war ausgerechnet ein Freitag, der 13. Da stand Simmons mit seiner Band Cosmosamatics auf der Bühne des kleinen Städtchens Greiz in Thüringen. Und da waren sie für all seine Fans plötzlich offenkundig und verursachten ein beklemmendes Gefühl in der Magengegend: die nicht zu übersehenden Gebrechen des Altwerdens. Schwer atmend bestieg Simmons die Bühne, die im ersten Stock des Hauses Friedensbrücke aufgebaut war. Mühsam bahnte er sich seinen Weg, vorbei an Mikrofonen und Stühlen. Seine Kraft reichte nur zu ganz kurzen, um so bewegenderen Solos, so, als wollte er im Zeitraffer sein Leben erzählen. „Es gibt eben solche Tage. Sonny ist nicht mehr der Jüngste, aber wir versuchen das, so gut es geht, zu überspielen.“ Michael Marcus sagt das. Seit zehn Jahren ist er der Partner von Simmons in der Band Cosmosamatics, die in dieser Zeit acht CDs aufgenommen hat. Die schönste ist vielleicht „Zetrons“ für die kleine polnische Firma Nottwo. Der „Dance of the Zetrons“, das war dann in Greiz auch noch einmal der Simmons, wie man ihn jahrzehntelang auf Platten gehört hat. Mit seinem lyrischen, unvergleichlichen Ton auf seinem Altsaxophon. Zutiefst menschlich, hoffnungsvoll, optimistisch. Da stimmte jeder Einsatz, jede Handbewegung, jeder Blickkontakt. Damit hatte Simmons an diesem Abend dann auch würdevoll den Staffelstab an seine jüngeren Kollegen übergeben. Den Rest mussten sie fast im Alleingang bestreiten. Michael Marcus, ausschließlich auf Klarinette und Bassklarinette zu hören. Rashaan Carter, der am Bass unendlich viel von seinem Vater Ron Carter gelernt hat. Taru Alexander, der einfühlsame, stets um Ausgleich bemühte Schlagzeuer. Simmons saß derweil auf einem Stuhl ganz hinten auf der Bühne. Mit wachen Augen, immer wieder seinen Kollegen ein aufmunterndes „Yeah“ oder „Great“ zurufend. Und dann kam Simmons noch mal, zu „Coltrane in Paradise“, seinem Paradestück, das er 1969 für die LP „Manhattan Egos“ erstmals aufgenommen hatte. Und dafür holte er sogar sein Englisch-Horn, das schwer und nur mit großem Kraftaufwand zu spielende Instrument aus der Familie der Oboen heraus. Simmons, der Dirigent, der Taktgeber. Herzergreifend war das. „ Wir haben einen enorm anstrengenden Tourneeplan. Jeden Tag in einer anderen Stadt, mit langen Anfahrtswegen. Das schlaucht“, erklärt Marcus und lässt sich die Reiserouten zu den nächsten Auftritten in Belgien und in der Ukraine erklären. „Sonny könnte es sich einfach machen und zu Hause bleiben. Aber er genießt jedes Konzert. Und auch ich genieße jeden Tag, den ich mit ihm zusammensein darf. Wir sind inzwischen wie Brüder.“ Michael Marcus sagt das wieder, kein bisschen traurig, dass er an Tagen wie in Greiz mehr geben muss als gewöhnlich. „Wir haben noch viel vor. Den Kopf voller Pläne.“ Simmons hat gerade eine neue CD unter dem Titel „Charlie Parker“ aufgenommen. Im Sommer sind Auftritte in Paris und beim Vision Festival vorgesehen. Viel Glück dabei! Gottfried Schalow |
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